Berlin ist bunt, Berlin ist divers und seine Bevölkerung äußerst heterogen. Viele unterschiedliche Länder, Kulturen und Lebensgeschichten treffen in dieser Metropole aufeinander. Rund 193 verschiedene Staatsangehörigkeiten sind in Berlin vertreten - damit bildet die deutsche Hauptstadt fast die gesamte Welt im Kleinen ab, denn weltweit gibt es derzeit 195 von den Vereinten Nationen anerkannte Staaten. Diese kulturelle Vielfalt ist eine große Bereicherung: Man lernt voneinander, neue Perspektiven bereichern den Alltag und das Zusammenleben wird lebendig und farbenfroh.
Doch Vielfalt bringt nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen mit sich: Wer in Deutschland gut Fuß fassen möchte, kommt kaum daran vorbei, die deutsche Sprache zu beherrschen. Doch die Ergebnisse der diesjährigen Schuleingangsuntersuchung zeigen, dass viele Kinder mit Migrationshintergrund Defizite in der deutschen Sprache aufweisen. Gleichzeitig wird deutlich, dass ein Besuch der Kindertageseinrichtung diese Defizite erheblich reduzieren kann. Damit alle Kinder gleiche Bildungschancen, echte Teilhabe und eine selbstbestimmte Zukunft haben, ist daher eine frühzeitige, gezielte und chancengerechte Sprachförderung von zentraler Bedeutung.
Die Personalzuschläge in Berliner Kitas
Um Kinder mit Migrationshintergrund in der Sprachbildung und -förderung zu unterstützen, erhalten Kitas derzeit Personalzuschläge für ergänzendes Fachpersonal, wenn mindestens 40% der Kinder in einer Einrichtung nicht deutscher Herkunft (ndH) sind. Diese Schwelle von 40% wird jedoch vielerorts kritisch gesehen, da sie in der pädagogischen Praxis kaum nachvollziehbar ist: Denn ob nun 39% oder 40% der Kinder sprachlichen Förderbedarf haben, macht für den tatsächlichen Aufwand keinen Unterschied. Zudem ist sprachliche Förderung nicht erst ab einem bestimmten Schwellenwert notwendig - sie beginnt mit dem ersten Kind, das zusätzliche Bedarfe hat.
Dieser Personalzuschlag ist im Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege (KitaFöG) verankert, ebenso wie der Personalzuschlagstatbestand “Quartiersmanagement” (QM) - auch bekannt als “Brennpunktzulage”. Derzeit befindet sich das KitaFöG in einer Novellierung. In diesem Zuge sollen auch die Personalzuschläge neu gestaltet werden - hin zu einem sogenannten Partizipationszuschlag.
Der Partizipationszuschlag beschreibt Personalzuschläge, die ausschließlich an den Bezug von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) gekoppelt sind und mit dem 01.01.2026 in Kraft treten soll. Anspruchsberechtigt für Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket sind Kinder, deren Familien Bürgergeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten sowie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Dazu zählen nicht Kinder, deren Eltern in Minijobs oder Niedriglohnarbeit beschäftigt sind oder aus anderweitig prekären Verhältnissen kommen. Mit ihm werden die Zuschlagstatbestände für die Merkmale nicht deutsche Herkunft und Quartiersmanagement gestrichen.
Gezielte Mittelverteilung mit Lücken
Das Argument für die Einführung des Partizipationszuschlags ist - insbesondere in Anbetracht eines Konsolidierungshaushaltes - nachvollziehbar: Man möchte weg vom Gießkannenprinzip und hin zu einer gezielten Mittelverteilung. Und um diese gezielte Mittelverteilung zu ermöglichen, benötigt es objektive Anhaltspunkte, anhand derer besonderer Unterstützungsbedarf erkennbar wird. Weshalb dabei auf das Merkmal Bezug von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zurückgegriffen wird, lässt sich wissenschaftlich begründen: Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Haushalten haben nachweislich schlechtere Bildungschancen. So zeigen unter anderem die Soziologen Jan Skopek und Giampiero Passaretta, dass 70% der Kompetenzunterschiede zwischen Kindern aus Haushalten mit hohem und niedrigem sozioökonomischen Status bereits in den ersten sechs Lebensjahren entstehen und sich verfestigen, mit langfristigen Auswirkungen auf den Bildungsweg dieser Kinder.
Doch der VKMK - Der Kitaverband ist der Meinung, dass dies zu kurzsichtig ist. Denn zum einen zählen auch Haushalte, in denen die Elternteile im Niedriglohnbereich oder in Minijobs arbeiten, zu sozioökonomisch Benachteiligten, auch wenn sie keinen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben. Zum anderen haben auch Kinder aus bildungsfernen Haushalten deutlich schlechtere Bildungschancen, wie der ifo- “Ein Herz für Kinder” - Chancenmonitor aus dem Jahr 2023 zeigt: Die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasialbesuchs bei Kindern mit zwei Elternteilen mit Abitur und einem Haushaltsnettoeinkommen von 4.000 bis 5.500 Euro liegt bei 70,6%. Bei Kindern aus Haushalten ohne Abitur, aber mit vergleichbarem Einkommen, sinkt diese Wahrscheinlichkeit auf 36,4%. Und nicht zuletzt zeigt nun auch die Schuleingangsuntersuchung, dass Kinder mit Migrationshintergrund ebenfalls dringend zu adressierende Förderbedarfe aufweisen.
Frühkindliche Förderung in Zahlen: Wie viele Kinder profitieren künftig?
Zum Jahresende 2023 waren 60.400 Kinder in den Berliner Kitas nicht deutscher Herkunft. Nach Anwendung der 40%-Schwelle erhielten etwa 41.000 von ihnen eine Förderung über den Personalzuschlag. Weitere 25.700 Kinder wurden über das Zuschläge für das Merkmal Quartiersmanagement, bzw. die “Brennpunktzulage” unterstützt, womit insgesamt rund 66.700 Kinder durch Zuschläge gefördert wurden.
Im Jahr 2023 besuchten zudem etwa 22.300 Kinder, die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beziehen, eine Berliner Kita. Mit der Einführung des Partizipationszuschlags rechnet der Senat mit einem Anstieg auf rund 50.000 Kinder. Dieser Anstieg wird damit begründet, dass Kitas künftig auf den Partizipationszuschlag angewiesen sind, um die Kinder adäquat fördern zu können. Infolgedessen wird erwartet, dass Einrichtungen aktiv auf Familien zugehen, die zwar anspruchsberechtigt sind, bisher aber keinen Antrag auf BuT-Leistungen gestellt haben. Der Partizipationszuschlag soll jedoch nicht für jedes einzelne BuT-berechtigte Kind gewährt werden, sondern nur dann, wenn der Anteil dieser Kinder in einer Kita mehr als 20% beträgt. Damit würden rund 40.000 Kinder vom Partizipationszuschlag profitieren.
Theorie trifft Praxis: Was Kitas jetzt erwartet
Wie sich die Einführung des Partizipationszuschlags auf die pädagogische Praxis auswirken könnte, hat der VKMK - Der Kitaverband bei zwei seiner Mitglieder erfragt.
Sprachförderung im Internationalen Kindergarten
Frank Mozer ist Geschäftsführer des Trägers Internationaler Kindergarten Berlin. Der Träger betreibt eine Einrichtung in Charlottenburg/Wilmersdorf, in der 60 Kinder betreut werden, mit Schwerpunkt auf der Vermittlung von Sprache: “Wir sind eine bilinguale deutsch-/englischsprachige Kita, welche in 5 jahrgangshomogenen Gruppen arbeitet. In jeder Gruppe arbeitet je eine Fachkraft in deutscher bzw. englischer Muttersprache. Zudem haben wir aktuell 3 und ab August/September 4 Auszubildende. Der konzeptionelle Schwerpunkt unserer Einrichtung, die sich als Bildungseinrichtung versteht, ist das Vermitteln von Sprache – sowohl der deutschen als auch der englischen Sprache. Darüber hinaus ist der Internationale Kindergarten seit dem Jahr 2016 in dem Bundesprogramm ‘Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist’ vertreten.” beschreibt Frank Mozer. Der Kindergarten spiegelt - wie Berlin selbst - einen Mikrokosmos unserer bunten Welt wieder: “Die Kinder und Familien der Einrichtung kommen aus vielen unterschiedlichen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, Italien, Kroatien, Indien, Israel, Ägypten, USA, China, Niederlande, Peru etc. In dem Internationalen Kindergarten finden somit viele unterschiedliche Nationalitäten, Kulturen und Religionen zusammen. Diese Diversität wird hier offen gelebt und die Offenheit der Kinder Neuem und Fremden gegenüber gefördert. Das Thema Respekt und Toleranz bildet das Fundament unserer Wertevermittlung.” Insgesamt liegt der Anteil von Kindern nicht deutscher Herkunft im Internationalen Kindergarten Berlin bei 95%, wohingegen kein einziges Kind bislang Anspruch auf BuT-Leistungen hat.
Frank Mozer erklärt uns, wie Sprachförderung aktuell in ihrer Einrichtung umgesetzt wird: “Einerseits haben wir aufgrund unserer personellen Zusammensetzung die Möglichkeit, die deutsche Sprache alltagsintegriert zu fördern, unter anderem in Morgenkreisen, individuelle Projekte etc. In unserer Vorschul-Gruppe gibt es zudem das „Show&Tell“: hier präsentiert ein Vorschulkind seiner Gruppe ein selbstgewähltes Thema in Form eines selbstgebastelten Plakats und eines kleinen Vortrags. Hierdurch soll das freie Sprechen geübt werden. Die Kinder sind immer sehr aufgeregt und wahnsinnig stolz ihren Freunden ihr Thema vorzustellen! Zudem beschäftigen wir eine zusätzliche Sprach-Fachkraft, welche aktuell noch mithilfe des Sprachprogramms „Sprach-Kita“ bis zum 31.07.2025 finanziert wird. Die Fachkraft unterstützt Kinder mit entsprechendem Sprachförderbedarf. Das geschieht entweder individuell oder in Kleingruppenarbeit.”
Was nun die Umgestaltung der Personalzuschläge hin zum Partizipationszuschlag für den Internationalen Kindergarten Berlin bedeutet, schlüsselt uns Frank Mozer auf: “Wir werden vor große finanzielle Herausforderungen gestellt: durch den Wegfall des ndHs-Zuschlages werden uns künftig ca. € 6.000,- pro Monat fehlen. Da bereits zu Ende Juli 2025 zusätzlich das ehemalige Bundesprogramm „Sprach-Kita – weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“, welches aktuell vom Land Berlin finanziert wird und an dem wir seit Anbeginn 2016 teilnehmen, eingestellt wird, fehlen weitere € 2.300,- pro Monat. Unterm Strich stehen uns somit ab Januar 2026 voraussichtlich rund € 8.300,- jeden Monat weniger zur Verfügung, weil wir aktuell keine einzige Familie haben, welche die Voraussetzungen des Partizipationszuschlages erfüllt – die Quote von 20% zuschlagsberechtigter Familien zu erreichen ist für uns absolut illusorisch!” Dass dieser Einschnitt nicht nur den Internationalen Kindergarten Berlin schwer treffen wird, davon geht Frank Mozer fest aus: “Diese finanziellen Herausforderungen werden berlinweit viele Träger treffen, davon bin ich überzeugt und habe dies bereits von mehreren Trägern vernommen. Für den Internationalen Kindergarten Berlin, aber auch für viele weitere und vor allem größere Träger ist es aufgrund der finanziellen Beschneidung eine Katastrophe!” Die zu erwartenden finanziellen Einbußen werden weitreichende Konsequenzen haben, nicht nur für den Träger, sondern vor allem für die Kinder und das pädagogische Fachpersonal: “Im schlechtesten Fall müssen Träger das Personal aus Kostengründen reduzieren. Für uns stellt sich die Frage, in welcher Form wir unsere Sprachförderprogramme, welche über das ‘normale Maß’ an alltagsintegrierter Sprachförderung hinausgeht, weiterführen können. Besondere Herausforderungen sehe ich bei Familien, welche zum Beispiel berufsbedingt oder auch aus anderen Gründen nach Berlin kommen und deren 3-, 4- oder 5-jährigen Kinder noch kein Deutsch sprechen, jedoch in wenigen Jahren hier zur Schule gehen werden. Ohne besondere Sprachförderung werden diese Kinder es schwer haben, einen guten Schulstart zu erleben. Zudem wird bei dem drohenden Personalabbau die ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung zusätzlich nochmal verstärkt. Und dass darunter auch die Qualität leidet, kann in dem Zusammenhang nicht überraschen. Ich erinnere an dieser Stelle an die Streiks der landeseigenen Einrichtungen!” Die Umstellung der Zuschläge wird sich jedoch auch belastend auf die Familien auswirken: “Gesetz den Fall das „normale Maß“ an Sprachförderung in der Kita ist - aus welchem Grund auch immer - nicht ausreichend für das Kind: welche Möglichkeiten hätten Eltern? Sie müssten mit ihren Kindern zusätzlichen Sprachunterricht nehmen. Für berufstätige Eltern stellt das eine zusätzliche zeitliche Belastung dar, für viele andere Familien sind das finanzielle Belastungen, die da plötzlich auftauchen. So oder so stellt dieses neue System Kinder, Familien und Einrichtungen/Träger vor große Probleme!” macht Frank Mozer deutlich.
Das größte Problem beim Partizipationszuschlag sieht Frank vor allem in der Zugangsvoraussetzung: “Das Hauptproblem meiner Meinung ist jedoch die Zugangsberechtigung beim Erhalt des Partizipationszuschlages. Alle Kinder/Familien, welche nicht die Kriterien des Partizipationszuschlages erfüllen, gehen leer aus. Zudem haben Träger/Einrichtungen das Problem, dass sie eine Quote von 20% an unterstützungsberechtigen Familien haben müssen, um für diese Familien überhaupt den Partizipationszuschlag zu erhalten – heißt also: bei nur 19% gehen auch diese Familien leer aus – beziehungsweise fehlen dem Träger die finanziellen Mittel!” Statt des Partizipationszuschlags würde sich Frank Mozer eine Fortführung der bisherigen Zuschläge wünschen: “Meiner Meinung ist der ndH-Zuschlag ein gutes Instrument, um Träger zu unterstützen, welche einen hohen Anteil an Kindern/Familien mit nicht-deutscher Sprache haben und somit einen höheren Personalaufwand betreiben! In einer so internationalen Stadt wie Berlin wäre es fatal, wenn die Träger und Einrichtungen gezwungen wären, die großartige Arbeit im Bereich der frühkindlichen Bildung und insbesondere beim Spracherwerb zu sparen. Es gibt doch bereits unzählige Studien, aus denen hervorgeht, dass jeder gesparte Euro zu einem späteren Zeitpunkt um ein Vielfaches re-investiert werden muss! Ich mag mir nicht ausmalen, wie laut das berechtigte Klagen der Schulen in wenigen Jahren ist, wenn noch mehr Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen in die Schule kommen.” Mit diesen Worten macht Frank noch einmal die weitreichenden Auswirkungen einer möglichen Umgestaltung der Personalzuschläge deutlich.
Kita Umpa Lumpa: Auswirkungen des Partizipationszuschlags im sozialen Brennpunkt
Eine ganz andere Perspektive bringt Frau Sevda Akyil, Diplom Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin und Gründerin des Kita-Trägers Umpa Lumpa Internationaler Kinderladen gGmbH, ein: Sie, als Träger und Kitaleitung, betreibt eine kleine Einrichtung in einem Quartiersmanagement-Gebiet, sprich einem sozialen Brennpunkt. In der Einrichtung werden maximal 25 Kinder im Alter von 1-6 Jahren in homogenen Kleingruppen (1-2/3-4/5-6 Jahren) nach dem Situationsansatz und auf Grundlage des Berliner Bildungsprogramms betreut. Alle Kinder ihrer Einrichtung haben einen Migrationshintergrund: “Unsere Kinder stammen ausschließlich aus Familien mit Migrationshintergrund und bringen vielfältige kulturelle Traditionen und Werte mit. Die Integration dieser unterschiedlichen Hintergründe zu einem gemeinsamen Nenner stellt eine große Herausforderung dar, da sie eine sensible und gezielte pädagogische Herangehensweise erfordert.” beschreibt Sevda Akyil. Aktuell beziehen 33% der betreuten Kinder Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Die tatsächliche Quote von Kindern aus sozioökonomisch-prekären Haushalten liegt jedoch deutlich höher: “Wir fördern derzeit ca. 90 % sowohl finanziell benachteiligte Kinder als auch 100% Kinder mit Migrationshintergrund.” erklärt Sevda und geht noch ein wenig genauer auf die damit verbundenen Herausforderungen ein: “Die Arbeit mit letzteren ist besonders herausfordernd, da sie eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern in Sprache, Bildung und Erziehung erfordert. Kinder deutscher Herkunft sowie Kinder, die im Elternhaus parallel gefördert werden, erleichtern die Arbeit, da sie frühzeitig gefördert werden und als Vorbilder für die anderen Kinder dienen - in Sprache, Bildung, Erziehung.”
Um die Kinder in ihrer Einrichtung bestmöglich auf ihren Bildungsweg vorzubereiten und ihnen dementsprechend die notwendigen Sprachfähigkeiten zu vermitteln nutzt Umpa Lumpa alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel: “Wir setzen drei Maßnahmen ein, um die Kinder schnell und effektiv zu integrieren und zu fördern. Tägliche Kommunikation, Mimik, Gestik und Körpersprache unterstützen die Sprachentwicklung. Ergänzend bieten wir spielerische Sprachförderung mit speziellen Materialien an. Das Sprachförderzentrum und externe Fachkräfte besuchen regelmäßig die Kita, um die Kinder gezielt zu fördern. Wir nutzen alle verfügbaren Ressourcen, um die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten. Ab September 2025 planen wir zudem eine Kooperation mit der Anna-Lindt-GS und dem Sprachförderzentrum, bei der wir uns zweimal wöchentlich gegenseitig besuchen und Sprachförderung für die Elementarkinder im Rahmen des Projekts „Alles mit Sprache“ anbieten werden.”
Auch Sevda Akyil sieht in dem geplanten Partizipationszuschlag große Herausforderungen, die sich negativ auf ihre Arbeit, dem Träger und ihre Mitarbeitenden auswirken könnten: “Seit Jahren fordern wir eine Erhöhung der Zuschläge für QM, MMS, ndH und BuT, doch stattdessen werden Gelder gekürzt, was unsere Arbeit im sozialen Brennpunkt erschwert. Alle Zuschläge wie QM, MMS und ndH entfallen. Die Alltagskosten lassen sich knapp decken, was die Personaleinstellung erschwert und zum Wegfall von Sonderzahlungen führt. Rücklagen werden wenig bis kaum gebildet, und die Aufnahme neuer Kinder ist rückläufig. Nur durch eine erhöhte Kinderzahl könnten wir die Kosten decken, was jedoch zu Frustration bei den Mitarbeitenden und einem schlechten Arbeitsklima führen würde. Die steigende Arbeitsbelastung hätte Überforderung, vermehrte Krankmeldungen und eine reduzierte Dokumentation zur Folge. Dadurch wird die Qualität unserer Arbeit beeinträchtigt, und die Anforderungen an Alltagsplanung sowie den Bildungsauftrag können nicht mehr vollständig erfüllt werden.” Obwohl Umpa Lumpa vergleichsweise viele Kinder mit Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket betreut, rechnet Sevda Akyil dennoch mit spürbaren Einschränkungen bei den zur Verfügung stehenden Ressourcen - und damit bei der Qualität der Förderung: “Der Partizipationszuschlag würde nur für etwa ein Drittel der Kinder mit BuT gewährt werden, für alle anderen entfallen die Zuschläge vollständig. Für uns als Träger ist dies keine Option, sondern eine erhebliche finanzielle Belastung. Aufgrund der Kosteneinsparungen wird mit weniger Personal die bisherige Qualität der intensiven Förderung und Bildung, insbesondere in den Bereichen emotionale Betreuung und Unterstützung von Kindern mit Migrationshintergrund, nicht mehr vollständig gewährleistet sein. Dies betrifft Maßnahmen wie individuelle Betreuung, Ausflüge, Bildungsmaterialien sowie Sonderzahlungen für besondere Projekte oder Bedürfnisse, die eingeschränkt oder entfallen könnten.” Zwar hat Sevda Akyil bereits zahlreiche Ideen ausgearbeitet, wie sie diese Einschnitte kompensieren könnten: “Um dem entgegenzuwirken, könnten alternative Ansätze wie die Förderung ehrenamtlichen Engagements, Kooperationen mit lokalen Organisationen, gezielte Förderprogramme für Kinder mit Migrationshintergrund, der Einsatz von Freiwilligen oder Praktikanten sowie Spenden und Sponsoring in Betracht gezogen werden.”, doch wie sie gleichzeitig betont, sind diese Ideen “leider nicht leicht umzusetzen.”
Nach Sevdas Einschätzung werden die Auswirkungen des Partizipationszuschlags weit über den eigenen Träger hinaus spürbar sein: “Der Zuschlag könnte die Partizipation von Kindern und Eltern aus nicht-deutscher Herkunft einschränken, was langfristig negative Folgen für Integration, Chancengleichheit und soziale Teilhabe haben kann. Es ist daher wichtig, Ausgleichsregelungen oder Unterstützungsangebote zu schaffen, um eine inklusive Teilhabe sicherzustellen. Zudem müssten Eltern zusätzliche Zahlungen leisten, um die Kosten zu decken. Eltern mit begrenzten finanziellen Mitteln könnten diese Belastung nicht tragen, was zu Unmut führen und das Vertrauen in die Kita beeinträchtigen könnte. Alternativen wie Spenden, Materialbereitstellung oder ehrenamtliche Unterstützung bei Ausflügen und Projekten könnten hier Abhilfe schaffen. Ohne diese Maßnahmen besteht die Gefahr, dass Eltern die Kita in Frage stellen oder wechseln.”
Doch Sevda Akyil macht sich nicht nur Sorgen um ihren eigenen Träger, sondern um alle betroffenen Träger. Für Umpa Lumpa könnte die 20%-Schwelle aller Voraussicht nach kein Problem darstellen - doch das wird nicht bei allen Trägern der Fall sein. “Die Festlegung der 20%-Quote als Anspruchsschwelle kann zu Stigmatisierung, Ungerechtigkeit, erhöhtem Verwaltungsaufwand und eingeschränkter Flexibilität führen. Sie birgt die Gefahr, dass Einrichtungen knapp darunter sich ausgegrenzt oder benachteiligt fühlen, was negative Auswirkungen auf das Personal, die Elternbindung und die Qualität der Betreuung haben kann.” gibt Sevda zu bedenken und fügt hinzu: “Mein Wunsch ist es, nicht nur mein Anliegen vorzubringen, sondern auch im Namen aller betroffenen Träger zu sprechen. Es wird jeden von uns mehr oder weniger berühren. Es könnten schwere Zeiten auf uns zu kommen.” Deshalb appelliert Sevda Akyil an die politischen Verantwortlichen: “Die Entscheidung sollte sorgfältig abgewogen werden, um die inklusive Förderung und die Unterstützung aller Kinder sicherzustellen. Bei der Einführung des neuen Partizipationszuschlags ist zu prüfen, wie spezifische Bedarfe weiterhin berücksichtigt werden können, um eine faire und wirksame Unterstützung zu gewährleisten.” und schlägt gleichzeitig konkrete, praxisnahe Alternativen vor: “Aus meiner Sicht könnten Alternativen zum geplanten Partizipationszuschlag darin bestehen, die erforderlichen Gelder für alle Kinder ausreichend zu finanzieren, um die Bildungsqualität sicherzustellen, oder allen Migrationskindern einen einmaligen, angemessenen Zuschlag zu gewähren, der die Leistungen von MMS, QM, ndH und BuT abdeckt. Zudem sollte das Mittagessen für alle Kinder vom Senat finanziert werden, um Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Für Kinder ab drei Jahren könnte ein freiwilliger Basisgutschein eingeführt werden, um Antragswege zu vereinfachen und die Zusammenarbeit mit den Eltern zu erleichtern.”
Die Einführung des Partizipationszuschlags wird weitreichende Konsequenzen für Kita-Träger in Berlin haben. Für viele Träger und pädagogische Fachkräfte wird es bedeuten: Der Umfang der notwendigen Förderung wird gleich bleiben, wenn nicht sogar steigen. Gleichzeitig werden zusätzliche Aufgaben auf sie zukommen, wie etwa die Unterstützung von Familien bei der Beantragung von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Doch während der Aufwand wächst, werden voraussichtlich weniger finanzielle Mittel für sie zur Verfügung stehen und damit auch weniger Personal. Für Kinder heißt das: Eine große Gruppe an Kindern mit Förderbedarfen wird künftig nicht mehr in vollem Umfang und in der notwendigen Qualität die Förderung erhalten, die sie benötigen, was langfristige Auswirkungen auf den gesamten Bildungsweg haben wird. Für Eltern wird dies zu einer größeren Belastung führen. Und spätere Bildungseinrichtungen werden die Defizite, die in Folge dessen in der frühen Kindheit entstanden sind, ausgleichen und auffangen müssen.
Der VKMK ist daher der Ansicht, dass eine alleinige Orientierung an bestimmten Merkmalen, beziehungsweise Kriterien bei der Vergabe von Zuschlägen immer zu kurz greifen wird und nicht mehr zeitgemäß ist. Um gezielt denjenigen Kindern Zuschläge zu gewähren, die tatsächlich Förderbedarfe aufweisen, wäre es daher sinnvoll, von einer pauschalen Orientierung an sozialen Merkmalen abzurücken. Stattdessen empfiehlt der VKMK, die Zuschlagserteilung an nachgewiesene individuelle Förderbedarfe zu koppeln. Ein zusätzliches Diagnoseinstrument zur Feststellung solcher Bedarfe wäre nicht notwendig, da mit dem aktuell anlaufenden BeoKiz-Verfahren bereits eine Sprachstandserhebung im Alter von 2,5 Jahren vorgesehen ist. Auf dieser Grundlage können festgestellte Förderbedarfe direkt und automatisch zur Zuschlagserteilung führen. Dies würde nicht nur aufwändige administrative Verfahren vermeiden, sondern auch die Träger entlasten und die Förderung von Kindern zielgerichtet und gerecht machen.
Quellen:
Berlins Bevölkerungszahl knapp unter 3,7 Millionen. (n.d.). https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/094-2025.
Neuhaus, A. (2024, August 9). Chancen verbessern: Auf die Frühe Bildung in der Kita kommt es an. DIE WELT. https://www.welt.de/debatte/kommentare/article252798122/Chancen-verbessern-Auf-die-Fruehe-Bildung-in-der-Kita-kommt-es-an.html.
Wößmann, L., et al. (2023). Der ifo-„Ein Herz für Kinder“- Chancenmonitor: Wie (un-)gerecht sind die Bildungschancen von Kindern aus verschiedenen Familien in Deutschland verteilt? In Ifo Institut. Ifo Institut. https://www.ifo.de/DocDL/sd-2023-04-freundl-et-al-chancenmonitor.pdf.
SenBJF-Protokoll zur Sitzung „Fachaustausch zur Neugestaltung der Personalzuschläge im KitaFöG“ vom 28.06.2024 (13:00 - 15:00 Uhr).