Essen für die Psyche: Wie Ernährung das Wohlbefinden von Kindern beeinflusst

Vor wenigen Wochen veröffentlichte das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung die Ergebnisse einer Umfrage, nach welcher in Niedersachsen jedes vierte Kind in der Kita auffälliges Verhalten aufzeigt. Eine Entwicklung, die nicht nur auf Niedersachsen begrenzt ist, sondern von welcher pädagogische Fachkräfte bundesweit berichten. Auch verschiedene Studien belegen, dass psychische sowie sozio-emotionale Auffälligkeiten bei Kindern seit einigen Jahren zunehmen. Die Ursachen hierfür sind multifaktoriell. Oft wird es in Verbindung mit dem Lockdown während Corona gebracht. Der zunehmend hohe Medienkonsum unter Kindern sowie schwierige Familiendynamiken werden ebenfalls häufig als mögliche Ursache genannt. Doch warum thematisieren wir das alles am Tag der gesunden Ernährung? 

Der Einfluss von Ernährung auf die psychische Gesundheit bei Kindern

Dass gesunde Ernährung einen direkten Einfluss auf die physische Verfassung hat, ist kein Geheimnis und allgemein bekannt. Nun zeigen auch immer mehr wissenschaftliche Studien, wie stark unsere psychische Gesundheit und unser allgemeines Wohlbefinden ebenfalls davon abhängen, was wir täglich zu uns nehmen. Dem wollen wir heute etwas genauer auf den Grund gehen und herausfinden, weshalb es umso wichtiger ist, bereits in der frühkindlichen Bildung gesunde Essgewohnheiten zu fördern und Kindern in der Kita Zugang zu gesunden und ausgewogenen Mahlzeiten zu ermöglichen. 

Um diese Frage zu beantworten, haben wir uns verschiedene Studien etwas genauer angeschaut. Darunter auch eine Studie der University of East Anglia. In altersgerechten Tests sollten Kinder angeben, wie fröhlich und entspannt sie sich fühlen und wie es um ihre zwischenmenschlichen Beziehungen steht. Dies wurde dann in Verbindung mit ihren Essgewohnheiten gesetzt. Das Ergebnis: Kinder, die sich gesund ernähren und viel Obst und Gemüse zu sich aufnehmen, fühlen sich psychisch deutlich wohler. Besonders ein vollwertiges Frühstück und Mittagessen zeigen sehr positive Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden, während umgekehrt ungesunde Alternativen und ausgelassene Mahlzeiten dem Wohlbefinden schaden.

Diese Studie ist natürlich relativ allgemein gehalten, weshalb wir uns gefragt haben, wie es denn aussieht, wenn wir uns auf ganz spezifische Verhaltensauffälligkeiten konzentrieren? Zum Beispiel auf ADHS.

Die Rolle der Darmflora bei ADHS

Darauf geben uns zahlreiche Studien eine Antwort, unter anderem eine Untersuchung der Wageningen Universität in den Niederlanden. In dieser Studie fand man heraus, dass bei 60 % der teilnehmenden Kinder durch eine Ernährungsumstellung auf gesunde, unbedenkliche Lebensmittel wie Reis, Putenfleisch und verschiedenes Gemüse die ADHS-Symptome innerhalb von nur fünf Wochen um mindestens 40 % zurückgingen. Die Verhaltensänderungen wurden dabei nicht nur subjektiv beobachtet, sondern spiegelten sich auch in Gehirnscans wider. 

Aber wie kann es sein, dass allein die Ernährung zu einem solchen Ergebnis geführt hat? Das liegt sehr wahrscheinlich an der Kommunikation zwischen unserem Darm und unserem Gehirn, wie verschiedene Forscher:innen herausgefunden haben. Darm und Hirn kommunizieren nämlich über Nervenbahnen miteinander, der sogenannten Darm-Hirn-Achse, und beeinflussen sich dadurch wechselseitig. 

Eine Studie, die im Fachblatt Journal of Child Psychology and Psychiatry veröffentlicht wurde, hat auf dieser Basis einen Zusammenhang zwischen der Darmflora und ADHS bei Kindern hergestellt. In der Studie wurden die Stuhlproben von 35 Kindern mit ADHS und 35 Kindern ohne ADHS untersucht, wobei deutliche Unterschiede in der Vielfalt der Darmbakterien festgestellt wurden. Kinder mit ADHS wiesen insgesamt eine geringere Diversität der Darmflora auf, insbesondere fehlten gesundheitsfördernde Bakterien häufiger. Auffällig war vor allem die reduzierte Präsenz eines spezifischen Bakterienstamms mit entzündungshemmenden Eigenschaften. Ein Mangel an diesem Bakterium könnte die Darmbarriere schwächen und möglicherweise zu einer erhöhten Durchlässigkeit des Darms führen, was wiederum das zentrale Nervensystem beeinflussen könnte. Ähnliches fand auch eine Studie der Universität Florida und der Linköping Universität in Schweden heraus, in welcher die Forscher:innen einen Zusammenhang zwischen Störungen der Darmflora in jungen Jahren und einer späteren Diagnose von neuroentwicklungsbedingter Störung wie ADHS oder Autismus herausstellen konnten. 

Mit Obst und Gemüse gegen depressive Symptome

Damit wird deutlich, dass die Ernährung insbesondere in jungen Jahren Einfluss auf die Entwicklung und die psychische Gesundheit hat. Nicht nur bezogen auf ADHS, sondern offensichtlich auch auf Autismus. Doch auch bezogen auf das Risiko, depressive Symptome zu entwickeln, weisen viele Wissenschaftler:innen auf den Zusammenhang zwischen der Darmgesundheit und einer reduzierten Zahl entzündungshemmender Bakterien hin. So auch in einer kürzlich veröffentlichten Studie, in der über einen Zeitraum von 11 Jahren 3.483 Zwillinge begleitet wurden, um genetische oder ökologische Verzerrungen ausschließen zu können. Die Ergebnisse zeigen, dass eine geringe Aufnahme von Obst und Gemüse ein erhöhtes Risiko für depressive Symptome mit sich bringt, während ein hoher Verzehr diese reduziert. 

Gesunde Ernährung ist wichtig, sowohl für die physische als auch die psychische Entwicklung der Kinder. Sie trägt dazu bei, das Risiko für Auffälligkeiten wie ADHS, Autismus und Depressionen zu reduzieren sowie Symptome zu verringern. Kitas spielen hierbei eine wesentliche Rolle: Sie fördern bereits in jungen Jahren gesunde Ernährungsgewohnheiten und bieten allen Kindern - unabhängig vom sozialen Status - Zugang zu ausgewogenen Mahlzeiten, ganz im Sinne der Chancengleichheit. Damit leisten sie einen bedeutenden Beitrag zur Prävention von psychischen und physischen Gesundheitsproblemen, die langfristig sowohl die Kinder als auch ihre Familien und das Gesundheitssystem entlasten können. Das bedeutet aber auch, dass Kitas von der Politik in die Lage versetzt werden müssen, dies im vollen Umfange gewährleisten zu können. Nur mit einer ausreichenden finanziellen Förderung kann sichergestellt werden, dass alle Kinder von gesunder Ernährung profitieren. Aktuell ist die Pauschale in Berlin, mit welcher die Kitas das Essen finanzieren, leider viel zu knapp bemessen. Pro Tag und Kind stehen lediglich 3,82 Euro zur Verfügung – ein Betrag, der für eine gesunde und ausgewogene Mahlzeit viel zu niedrig ist. Die Mitglieder des VKMK sorgen dennoch täglich für gesundes Essen in den Kitas, doch das bedeutet wiederum, dass finanzielle Mittel dann an anderer Stelle fehlen. Deshalb ist es wichtig, dass dieser Aspekt in der aktuellen Verhandlung zur Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen in angemessenem Maße berücksichtigt und angepasst wird. 

Quellen:

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