Der Kita-Platz-Ausbau: Städtebauliche Verträge und die Herausforderungen des demographischen Wandels

Diese Woche wurde im Tagesspiegel eine bisher unbekannte und diskussionswürdige Zahl zur Kita-Platz-Situation in Berlin veröffentlicht: Jugendstaatssekretär Falko Liecke (CDU) erwähnte am 5. September in der 42. Sitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie im Abgeordnetenhaus, dass zu Beginn des Kita-Jahres 2024/2025 etwa 34.300 Kita-Plätze ungenutzt seien, wovon der Tagesspiegel am 07. Oktober berichtete. Wie diese Zahl, die im Juni noch bei 9.000 lag, zustande kommt, ist bislang noch nicht geklärt. Trotz dieser Unklarheiten wirft die Aussage eines Überschusses an Kita-Plätzen Fragen auf, denn die Fakten sprechen für sich: Die Geburtenzahlen sinken seit Jahren, zahlreiche Kita-Träger berichten von einer rückläufigen Nachfrage, und viele Einrichtungen stehen bereits vor dem Problem unbesetzter Plätze. Einige Kitas sind nun bestrebt, ihre freien Plätze zu belegen, während vor allem Kleinstträger sich bereits Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft machen müssen, sollten sie dauerhaft nicht mehr alle Plätze vergeben können. Doch anstatt auf diese Herausforderung mit angepassten Maßnahmen zu reagieren, setzt die Stadt Berlin den Kita-Ausbau weiter fort.

In Zeiten des Kita-Platz-Mangels wurde in städtebaulichen Verträgen festgelegt, Kitas in Neubauprojekte zu integrieren, um die wachsende Nachfrage nach Betreuungsplätzen zu decken. Doch trotz des inzwischen rückläufigen Bedarfs werden weiterhin im Rahmen solcher Verträge neue Kitas gebaut. Dies führte allein zwischen 2023 und 2024 zu einem Anstieg der Kita-Plätze um 1,3 %. Um das Platzangebot an den tatsächlichen Bedarf anzupassen, setzt das Land Berlin auf verschiedene Beobachtungs- und Steuerungsinstrumente: Der Kindertagesstättenentwicklungsplan (KEP) 2023/2024 bis 2027/2028 analysiert die voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung im Vergleich zum verfügbaren Platzangebot, um daraus den zukünftigen Bedarf an Kita-Plätzen zu ermitteln. Ergänzend dazu teilt der Kita-Förderatlas die Bezirksregionen Berlins in fünf Kategorien nach Dringlichkeit des Platzausbaus ein, um die Verteilung der Fördermittel zielgerichtet und bedarfsgerecht zu steuern. Infolgedessen wurden die Mittelvergabe bereits angepasst und der Kita-Ausbau entsprechend reduziert. (Allerdings wird kritisiert, dass diese Steuerungsinstrumente nicht flächendeckend genug sind und noch präziser auf die regionalen Unterschiede eingehen müssen, um den Kita-Platzausbau effizienter zu gestalten.) 

Dennoch befinden sich aktuell Maßnahmen zur Schaffung von 11.000 zusätzlichen Betreuungsplätzen bis 2027 in der Umsetzung, darunter auch Projekte, die auf Basis städtebaulicher Verträge realisiert werden. Städtebauliche Verträge werden oft Jahre im Voraus ausgehandelt und sind rechtsverbindlich, was eine nachträgliche Revision erschwert. Wie im KEP zu lesen ist liegt “[D]ie gemäß neuer Bevölkerungsvorausberechnung 2021-2040 zu erwartende Anzahl der Kinder unter 7 Jahren [...] deutlich unter der bisherigen Prognose. Bis zum Jahr 2027 wird nunmehr eine um rund 14.700 geringere Zahl von Kindern im Alter 0 bis unter 7 Jahren erwartet.”. Diese Differenz verdeutlicht, dass bei Abschluss der heute noch gültigen städtebaulichen Verträge von einem deutlich höheren Bedarf an Kita-Plätzen ausgegangen wurde. 

Die Mitglieder des Kitaverbands VKMK beobachten den fortgesetzten Ausbau mit wachsendem Unverständnis. Statt die finanziellen Mittel in die mancherorts benötigte Sanierung und Instandhaltung bestehender Einrichtungen zu investieren, fließen die Gelder weiterhin in den Bau neuer Kitas, für die es inzwischen kaum Nachfrage mehr gibt. Aus den Reihen des Verbands wird daher verstärkt eine nachhaltigere Verwendung öffentlicher Mittel gefordert. Lars Békési, Geschäftsführer des Verbandes, betont nachdrücklich: “Die Anpassung der Maßnahmen erfolgt nicht schnell genug, was zu einem gegenwärtig ineffizienten Umgang mit Steuergeldern führt. Anstatt diese sinnvoll und nachhaltig einzusetzen, werden sie zum Fenster rausgeworfen. Es wäre weitaus effizienter, die vorhandene Infrastruktur zu stärken oder nach nachhaltigen Lösungen zu suchen.” Ein möglicher Ansatz, der innerhalb des VKMK diskutiert wird, ist die Etablierung von Mehrgenerationenkonzepten. Durch diese Konzepte könnte die im Rahmen städtebaulicher Verträge geschaffene soziale Infrastruktur flexibel an die Herausforderungen des demografischen Wandels angepasst werden. Dies würde eine proaktive Vorbereitung auf unvorhergesehene Geburtenrückgänge sowie auf mögliche Anstiege der Geburtenzahlen ermöglichen. Gleichzeitig würden sowohl Senioren als auch Kinder von einem generationenübergreifenden Miteinander profitieren.