Stark fürs Leben: Soft Skills von klein auf fördern

Unsere Welt wandelt sich stetig - und das mit einer zunehmenden Geschwindigkeit. Technologisierung, Globalisierung und geopolitische Spannungen scheinen die Welt immer komplexer werden zu lassen. Und ein Blick auf die Gesellschaft zeigt, dass der Umgang mit diesem Wandel ebenfalls eine Herausforderung darzustellen scheint: Die mentale Gesundheit leidet, Förderbedarfe steigen - und die Reaktion darauf? Die bleibt oft auf die Bekämpfung von Symptomen beschränkt. Betroffen sind nicht nur wir Erwachsene, sondern auch Kinder, die in diesem rasanten, komplexen Wandel aufwachsen.  

Daher möchten wir heute, am internationalen Kindertag, unseren Fokus darauf legen, wie wir Kinder besser auf einen gesunden Umgang mit der Welt vorbereiten können: Mit Prävention, mit Soft Skills, mit der Stärkung ihrer Persönlichkeit. 

Was sind Soft Skills - und warum sind sie so wichtig?

Soft Skills beschreiben persönliche Fähigkeiten und stellen damit das Gegenteil von Hard Skills - also fachlicher Kompetenz - dar. Zu den Soft Skills zählen beispielsweise soziale, emotionale und kognitive Kompetenzen - aber auch Resilienz, Adaptionsfähigkeit, Problemlösungsfindung, Medienkompetenz, Lernfreude, .. - und die Liste könnte noch sehr viel weiter gehen. Kurzum: Es handelt sich um Fähigkeiten, die Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit stärken und dabei helfen, sich in der Welt, in der Gesellschaft und im Berufsleben zurechtzufinden. Und genau diese Fähigkeiten sind essentiell in einer Zeit, in welcher aufgrund der stetigen und schnellen Veränderungen nicht klar abschätzbar ist, wie die Zukunft aussehen könnte. Wir können nicht genau wissen, welche Hard Skills in 10-20 Jahren gefragt sein werden, doch wir wissen, dass Soft Skills entscheidend dabei helfen werden, mit verschiedenen Zukunftsszenarien souverän umzugehen und sich auf Veränderungen einzulassen. Während in der Schule - insbesondere in der weiterführenden Schule - die Vermittlung von Hard Skills im Vordergrund steht, legt die frühkindliche Bildung den Grundstein für die Entwicklung von Soft Skills. Hier wird das Fundament für die Entwicklung persönlicher Kompetenzen gelegt, welche Kinder auf die Zukunft vorbereiten. Doch wie genau kann das im Alltag aussehen? 

Mit Gefühl und Gemeinschaft: Soziale und emotionale Kompetenzen in der frühkindlichen Bildung

Soziale und emotionale Kompetenzen beziehen sich vor allem auf den Umgang mit anderen und mit sich selbst. Teamfähigkeit, Empathie und emotionale Selbstregulation zählen hier beispielsweise dazu. Beginnen wir mit dem Umgang mit anderen. Kinder bringen in der Kita häufig eine wertvolle Grundlage mit: vorurteilsfreie Offenheit. Kinder erkennen Unterschiede, kennen aber keine trennenden Unterschiede. Durch den Besuch einer Kita, in der Kinder mit ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten und Hintergründen zusammenkommen, wird die Vielfalt für sie zur Normalität und Selbstverständlichkeit – und ihre Offenheit gegenüber Unterschieden wird weiter gestärkt. Empathie können Kinder in der frühkindlichen Bildung auf vielfältige Weise entwickeln und vertiefen. Zentral dafür ist die Fähigkeit zum Perspektivwechsel – und genau diese kann durch Rollenspiele, Theaterspielen oder auch das Erzählen und Erleben von Geschichten gefördert werden. Kinder schlüpfen dabei in die Rolle einer anderen Person, erleben eine andere Lebensrealität als ihre eigene – und tauchen so in eine neue Gefühlswelt ein. Auch der Morgenkreis ist ein wichtiger Schlüssel zur Förderung von Empathie: Hier erfahren Kinder, was andere beschäftigt und wie es ihnen geht. Gleichzeitig bietet der Morgenkreis die Möglichkeit, emotionale Selbstregulation zu erlernen – etwa durch das Reflektieren und Benennen eigener Gefühle. In diesem geschützten Rahmen, begleitet durch pädagogisches Fachpersonal, lernen Kinder, ihre eigenen Emotionen besser einzuordnen und mit ihnen umzugehen. Auch Rückzugsorte – wie Kuschelecken – und Bewegungsspiele zur Entspannung können Kinder dabei unterstützen, ihre Gefühle bewusst wahrzunehmen und wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Emotionale Selbstregulation kann jedoch auch ganz unmittelbar im Miteinander geübt werden – etwa durch Gruppenspiele. Dabei lernen Kinder, die Gefühle anderer zu respektieren, ihre eigenen Emotionen auch einmal zurückzustellen, Regeln zu befolgen, Frustration auszuhalten, Impulse zu kontrollieren und Kompromisse auszuhandeln. All das stellt auch die Basis für Teamfähigkeit dar. 

Mit Kreativität die Zukunft gestalten: Von der Selbstentfaltung zur Problemlösungskompetenz

Kreativität ist leider eine in der Gesellschaft sehr unterschätzte Schlüsselkompetenz für die persönliche Entwicklung - wie man bereits daran erkennen kann, dass der Kunstunterricht an den Schulen im Laufe der Jahre im Schnitt zunehmend reduziert wurde - zugunsten leistungsorientierter Kernfächer. Aber weshalb ist Kreativität so wichtig? Das beginnt bei der Selbstentfaltung und Selbstwirksamkeit. Kreativ zu sein bedeutet, etwas Eigenes zu erschaffen: Gedanken, Geschichten, Ideen, Szenarien, Kunst. Dieser schöpferische Akt ist ein Ausdruck des individuellen Selbst, eine Möglichkeit, die eigene Perspektive sichtbar und wirksam werden zu lassen. Kreativität bringt einen in die Lage, in unterschiedlichste Richtungen zu denken, spielerisch Möglichen zu erforschen, scheinbar Unzusammenhängendes zu verknüpfen und neue Perspektiven zu entdecken. Es lehrt uns, kritisch zu hinterfragen, Ideen und Innovationen zu entwickeln sowie Lösungen für Probleme zu finden. Man könnte schon fast sagen, dass Kreativität dadurch eine der wichtigsten Zukunftskompetenzen ist. Gleichzeitig bringt uns Kreativität bei, mit Unsicherheiten umzugehen und resilient zu werden, denn bei der Umsetzung von Ideen werden wir gerne auch mal mit Rückschlägen konfrontiert, die Überwindung erfordern. Und wie lässt sich Kreativität in der frühkindlichen Bildung fördern? Indem man Kindern Räume zum Erkunden, Erforschen und Gestalten eröffnet. Wenn Kinder über ausreichend Zeit und Raum verfügen, um sich auszuprobieren, legen sie das Fundament für kreatives Denken. Das kann in vielfältiger Weise verfestigt werden - etwa durch Malen, Basteln, Bauen, Singen, Tanzen und vielem mehr. Dabei können unterschiedlichste Materialien zum Einsatz kommen und verschiedenste Themen als Anlass dienen, ganz gleich ob im Rahmen eines Motto-Themas oder eines ganz besonderen Projekts wie etwa Upcycling. Ein besonderes Beispiel für die Förderung von Kreativität wollen wir aus Singapur - einem Land, in dem Soft Skills ganz oben auf der Agenda der frühkindlichen Bildung stehen - vorstellen: Dort entwickeln Kinder spielerisch und kindgerecht eigene kleine Business-Ideen. Was zunächst nach einer Überforderung klingen mag, ist in Wahrheit eine kreative Übung, die viele Kompetenzen verbindet: Ideenfindung, Umsetzung, Problemlösung, Teamarbeit und Präsentation. All das sind Bestandteile kreativen Denkens - angewendet in einem Kontext, der spielerisch bleibt, aber Zukunftsrelevanz hat. 

Digital lernen, sicher wachsen: Medienkompetenzen von klein auf

Kommen wir nun zur Medienkompetenz - einer Fähigkeit, die exemplarisch zeigt, wie sich auch die Anforderungen an unsere Kompetenzen im Laufe der Zeit verändert haben. Denn noch vor wenigen Jahrzehnten galt Medienkompetenz bei weitem nicht als Schlüsselkompetenz. Doch nun sind wir in einer Zeit angekommen, in welcher sie zu den wichtigsten Zukunftskompetenzen zählt - nicht nur, um in der Arbeitswelt Schritt halten zu können, sondern auch im Hinblick auf unsere mentale Gesundheit. Dabei handelt es sich um eine Kompetenz, die längst nicht mehr nur Erwachsenen vorbehalten ist, sondern vor allem auch Kindern frühzeitig vermittelt werden sollte. Denn so viele Chancen die Digitalisierung und Technologisierung auch bieten, ebenso viele Risiken bergen sie. Dies verdeutlichte erst kürzlich eine Auswertung von jugendschutz.net, in welcher deutlich wurde, dass Kinder und Jugendliche zunehmend Hass-Inhalten und sexualisierter Gewalt im Internet ausgesetzt sind. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt insbesondere vor dem übermäßigen Konsum sozialer Medien, da dieser sich negativ auf die mentale Gesundheit auswirken kann. Sie empfiehlt daher, Medienkompetenzen frühzeitig zu fördern. UNICEF wiederum macht in ihrem kürzlich erschienenen Ranking zum Wohlbefinden von Kindern deutlich, dass eine ausgewogene Nutzung sogar zu einer höheren Lebenszufriedenheit beitragen kann. Dies macht deutlich: Die Frage ist nicht ob, sondern wie Medien genutzt werden - und genau hier setzt Medienkompetenz an. Doch weshalb sollte man damit bereits in der frühkindlichen Bildung beginnen? Ganz einfach: Weil der Medienkonsum auch bei Kleinkindern drastisch gestiegen ist, wie die Studie miniKIM 2023 verdeutlichte. Demnach verfügt inzwischen jedes zehnte Kind im Alter von zwei bis fünf Jahren über ein eigenes Handy oder Smartphone - jedes fünfte Kind sogar über ein eigenes Tablet. 23% der Kinder in dieser Altersgruppe nutzen täglich ein Gerät mit Internetzugang. Umso wichtiger wird es also, bereits im frühen Kindesalter Medienkompetenzen zu fördern. Doch wie kann das konkret aussehen? Zunächst sollte klar sein: Es geht dabei keineswegs darum, Kinder einfach vor digitale Geräte zu “parken”, sondern vielmehr, um Medien spielerisch, altersgerecht und pädagogisch begleitet in den Alltag einzubinden. Besonders wichtig dabei ist, aufgrund des hohen Suchtpotenzials digitaler Medien klare Nutzungszeiten festzulegen. Beispielsweise können Tablets gezielt genutzt werden, um gemeinsam mit den Kindern altersgerechte Lernvideos anzusehen, in digitalen Bilderbüchern zu schmökern oder interaktive Geschichten zu entdecken. So lernen die Kinder ganz nebenbei, dass Medien Hilfsmittel zum Lernen und Erforschen sein können. Auch die kreative Anwendung von Medien lässt sich gut in den Kita-Alltag integrieren: durch kleine Audioaufnahmen, das Erstellen von Fotogeschichten oder kurzen Videos - etwa als digitale Ergänzung zu einem gemeinsamen Ausflug oder Projektthema. Ebenso zentral ist die gemeinsame Reflexion über Medienerlebnisse. Gespräche darüber, was Kinder zu Hause sehen, welche Apps sie nutzen oder ob sie Werbung erkennen können, hilfen ihnen, Inhalte besser einzuordnen und erste kritische Fragen zu stellen. 

Soft Skills bereiten Kinder von klein auf auf das Leben vor. Sie bilden die Basis dafür, dass Kinder später ein glückliches und erfolgreiches Leben führen können - und helfen ihnen schon im Hier und Jetzt gut im Leben, mit Veränderungen, Herausforderungen, mit sich selbst und mit anderen zurechtkommen. Während die Bedeutung von Soft Skills kein Geheimnis ist und in den Kitas viel dafür getan wird, diese zu fördern, ist es dennoch im Kita-Alltag oft schwierig, auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Die dafür notwendigen Ressourcen - wie Personal, Zeit, Geld, Raum und Materialien - stehen häufig nur eingeschränkt zur Verfügung. Für die Entwicklung von Medienkompetenzen wäre zum Beispiel die Einführung eines Digitalpakts für Kitas ein wichtiger Schritt. Zur Förderung von Kreativität könnten Programme wie das Schulprojekt “MAX - Artists in Residence”, bei dem Künstler:innen ein Atelier in einer Schule erhalten und gemeinsam mit Kindern arbeiten, auch für Kitas modellhaft sein. Darüber hinaus könnte die gezielte Förderung mulitprofessioneller Teams - ergänzt etwa durch Theater-, Kunst- und Medienpädagog:innen - einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Soft Skills leisten. 

Wenn wir Kinder stark für die Zukunft machen und ihnen die bestmöglichen Startchancen bieten wollen, müssen jetzt die Bedingungen geschaffen werden, in denen sie ihre individuellen Stärken erkennen, entfalten und vertiefen können - und das beginnt bei einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung.