Zwischen Theorie und Praxis: Warum die gesetzlich vorgeschriebene Personalausstattung in Berliner Kitas nicht mehr ausreicht

Zur Bewertung der Qualität der frühkindlichen Bildung wird oftmals die Fachkraft-Kind-Relation herangezogen. Diese Kennzahl gibt an, wie viele Kinder von einer einzelnen Fachkraft betreut werden. Wissenschaftliche Empfehlungen für diese Relation variieren dabei je nach Alter der Kinder und der Gruppenzusammensetzung. 

Laut der Bertelsmann Stiftung sollte das Verhältnis in einer Gruppe mit ausschließlich Kindern unter drei Jahren (U3) bei 1:3 liegen, um eine hochwertige Bildung und Betreuung zu gewährleisten. In der Realität sieht es jedoch anders aus. So liegt das derzeitige Fachkraft-Kind-Verhältnis in U3-Gruppen in Berlin bei 1:5,2 (Stand 01.03.2022). Unter Berücksichtigung der mittelbaren pädagogischen Arbeit, die etwa im Durchschnitt 25% der Arbeitszeit beansprucht, verschlechtert sich das Verhältnis auf 1:6,9. Mittelbare pädagogische Arbeit umfasst Aufgaben wie das Erstellen von Dokumentationen, Vorbereitungen und Elterngespräche. Für Gruppen mit Kindern über drei Jahre (Ü3) empfiehlt die Bertelsmann Stiftung eine Fachkraft-Kind-Relation von 1:7,5. Das aktuelle Verhältnis in Berlin beträgt 1:7,6, was den empfohlenen Standards nahezu vollständig entspricht. Nach Berücksichtigung der mittelbaren pädagogischen Arbeit sinkt das Verhältnis jedoch auf 1:10 Diese Zahlen verdeutlichen, dass die tatsächliche Arbeitslast für Pädagog*innen erheblich höher ist, als es das nominale Personal-Kind-Verhältnis vermuten lässt. 

Obwohl die Fachkraft-Kind-Relation, insbesondere im Ü3-Bereich, nahe an den wissenschaftlichen Empfehlungen liegt, wird bei der Berechnung die mittelbare pädagogische Arbeit nicht angemessen berücksichtigt und mit einberechnet. Die Zunahme administrativer Aufgaben und Dokumentationen in den letzten Jahren hat die Arbeitsbelastung der pädagogischen Fachkräfte in diesem Bereich jedoch erheblich erhöht. Dies führt dazu, dass die Zeit für die direkte Arbeit mit den Kindern oft reduziert werden muss. Um dem entgegenzuwirken, muss der Mehraufwand für diese mittelbare pädagogische Arbeit realistisch in die Personalberechnung einfließen. Eine angemessene und realistische Berücksichtigung von Personalausfällen durch Krankheiten, Schwangerschaften oder Urlaubstagen ist ebenso erforderlich.  

Die Personalausstattung, aus der die Personal-Kind-Relation hervorgeht, ist gesetzlich im Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG) verankert und schreibt eine Personalausstattung von 100% vor. Jedoch ist dies aufgrund der oben genannten Faktoren inzwischen unzureichend. Lars Békési, Geschäftsführer des VKMK, erklärt: “Angesichts der steigenden Anforderungen an pädagogische Fachkräfte ist eine 100%-Personalausstattung nicht mehr ausreichend. Diese Regelung ist veraltet und entspricht nicht den aktuellen Ansprüchen und Herausforderungen der frühkindlichen Bildung. Um eine stabile und qualitativ hochwertige Bildungsarbeit in Berliner Kitas zu gewährleisten und den Betreuungswünschen der Eltern gerecht zu werden, ist die Einführung und dauerhafte Sicherung einer 120%-Personalausstattung zwingend erforderlich.” Der Kitaverband VKMK fordert bereits seit langem eine Erhöhung und Anpassung der Personalausstattung in der frühkindlichen Bildung. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, diese Forderungen in die Tat umzusetzen. Die bevorstehenden Verhandlungen der “Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen für Kinder” (RV Tag) bieten eine bedeutende Gelegenheit, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Personalausstattung zu beschließen und somit die Qualität der frühkindlichen Bildung nachhaltig zu sichern.