Der Verband der kleinen und Mittelgroßen Kitaträger (VKMK) möchte auf einen Artikel des Fokus aufmerksam machen, der unter dem Titel „Du mir nix sagen, du deutsch!“: Zoff mit Migranten-Jungs im Kindergarten" veröffentlicht wurde. Wir sind der Meinung, dass dieser Artikel nicht nur hochgradig Fremdenfeindlichkeit fördert, sondern auch den Zustand in den Kitas in ein absolut falsches Licht rückt und die Problematik bei den Kindern mit Migrationshintergrund selbst verankert, nicht aber bei der Politik.
Hierzu möchten wir gerne Stellung beziehen.
Seit Jahren überschlagen sich die Neuigkeiten zu der nicht enden wollenden Kitakrise. Unterschiedliche Finanzierungssysteme in den Ländern und Kommunen führen stets zur Unterfinanzierung im großen Stil, und daraus resultierend zu einem starken Fachkräftemangel, damit verbundener Überbelastung, hohen Krankenständen und letztendlich einem Einschränken des Bildungsangebotes. Die Bildungs- und Betreuungsarbeit kann schon lange nicht mehr so gewährleistet werden, wie sie sollte. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo mancherorts nicht einmal mehr der Aufsichtspflicht vollends nachgegangen werden, geschweige denn jedes Kind sich auf einem sicheren Kitaplatz wägen kann.
Dieses Problem ist selbst kreiert und die mannigfaltigen Symptome waren schon lange absehbar.
Nicht überraschend, denn leider schon viel zu oft gesehen, tauchen in diesen problematischen Zeiten Artikel auf, die sich nicht mit dem Kernproblem auseinandersetzen möchten, sondern stattdessen nach einer Art Sündenbock lechzen, der als Katalysator dienen muss, um dem Frust und der angestauten Wut endlich Luft machen zu können. In diesem Fall trifft es, wie sehr oft, Menschen mit Migrationshintergrund.
Doch nun geht es sogar einen Schritt weiter; ihre Kinder sind Schuld. Kinder im frühkindlichen Alter.
"Du mir nix sagen - Du Deutsch". Chapeau. Es ist schon eine Leistung innerhalb eines Titels, diverse fremdenfeindliche Botschaften verstecken zu können. Man müsse beinahe den Hut ziehen, wenn es nicht so traurig wäre. Die gezielte Ablehnung der “gutmütigen Förderung” Deutschlands, ausgehend von Kindern im Kleinkindalter. Und das nicht nur aus kindlichem Trotz der Förderung gegenüber, nein, die Ablehnung ist, so wird es implementiert, geboren aus ihrer "Antideutschen" Haltung. Der gesamte Artikel setzt sich mit einem Limit der Toleranz diesen Kindern gegenüber auseinander und endet mit einem Statement, das die Verzerrung bestens unterstreicht:
“Sie kenne viele Kolleginnen, die anfangs offen waren für neue Kulturen und die sich darauf gefreut hatten, Kinder anderer Herkunft in das deutsche Kita-System einzugliedern. Doch mittlerweile würden sich immer mehr von ihnen fragen: „Wofür machen wir das, wenn der Dank von der anderen Seite eh nicht da ist?“”
Die “anfängliche Offenheit gegenüber neuen Kulturen” ist nun bereits etwas, das nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand deutlich in der Vergangenheitsform besprochen wird, sondern offen gegenüber Journalisten. Denn schließlich wird ihnen für diese Offenheit nicht gebührend Dank entgegengebracht.
Keinem deutschen Kind würde man “Dankbarkeit” abfordern für zielgerichtete Förderung.
Wenn die kleine Lena-Marie in einer ADHS-Überstimulierung zu Wut greifen würde, würde vermutlich mit Verständnis agiert, nicht aber ein Limit an Toleranz verbalisiert werden, das erreicht wäre - schließlich würde ihr Verhalten nicht genügend Dankbarkeit repräsentieren.
Genauso wenig sollte es hier ein "Limit" an Toleranz geben, sofern Schwierigkeiten auftreten, bei Kindern mit Migrationshintergrund. Diese sollen und müssen dasselbe Förderungssprektrum erhalten, das ebenso Offenheit für Individualität lassen sollte.
Wir sind der Überzeugung/Meinung, dass solche Artikel gefährlich und verzerrend sind, da sie einseitige und stereotype Bilder von Kindern mit Migrationshintergrund zeichnen und damit Rassismus fördern. Wir sind ebenfalls der Meinung, dass wir einem akuten Problem gegenüberstehen, wenn Erzieher:innen bereits öffentlich ihre Ablehnung für Kinder aus bestimmten Herkunftsländern äußern.
Der Artikel liest sich, als wäre das Kernproblem in den Kitas momentan “das ausländische Kind”, wissend, dass sich seit Jahren die Artikel überschlagen zu akuten Förderungsdefiziten bei Kindern aus Familien mit sozialökonomischen Problemen.
Diese Förderungs-Defizite machen sich sprachlich aber auch in der Entwicklung bemerkbar und betreffen Kinder aus Deutschen Familien ebenso stark.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Kitakrise in erster Linie eine Folge von politischen Versäumnissen ist. Die Unterfinanzierung, Unterbesetzung und hohe Krankenstände in Kitas sind kein Zufall, sondern das Ergebnis von politischen Prioritäten gegen eine gut ausgestattete frühkindliche Bildung. Es ist deshalb kontraproduktiv, sich auf einen Sündenbock zu konzentrieren und die Schuld bei einer bestimmten Gruppe von Kindern oder Eltern zu suchen. Stattdessen sollten alle Beteiligten - Politiker:innen, Kitaträger, Erzieher:innen, Eltern - gemeinsam daran arbeiten, Lösungen für die Kitakrise zu finden und umzusetzen. Eine erfolgreiche Integration von Kindern mit Migrationshintergrund gehört dabei genauso dazu wie die Förderung aller anderen Kompetenzen. Nur so können wir sicherstellen, dass alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft - die bestmögliche Förderung/Bildung und Betreuung erhalten.
Artikel wie dieser sind starke Warnschüsse und zeigen offen, wie kaputtgespart und überfordert das System “frühkindliche Bildung” bereits ist.
Wir fordern daher alle Beteiligten auf, gemeinsam daran zu arbeiten, eine positive und respektvolle Umgebung für alle Kinder zu schaffen, die die Vielfalt und Individualität der Kinder berücksichtigt. Nur so können wir eine erfolgreiche Integration und eine erfolgreiche Zukunft für alle Kinder gewährleisten.