Qualität braucht Vielfalt

Thesenpapier des VKMK für eine gute frühkindliche Bildung

1. Einleitung

Berlin mit seinen Bezirken und Kiezen ist eine Metropole, in der sich kulturelle, sprachliche und soziale Vielfalt verdichtet. Deshalb sind die Berliner Kindertageseinrichtungen die wichtigen ersten Bildungsstandorte, in denen Kinder für ihre bestmögliche Entwicklung eine individuelle Förderung ihrer kognitiven, motorischen, sozialen, sprachlichen, musischen und mathematischen Fähigkeiten erfahren sollen und somit das Fundament für den weiteren Verlauf ihrer Bildungskarriere legen.

1.2 Voraussetzungen für eine wirksame Bildungsarbeit

Für eine wirksame Bildungsarbeit am einzelnen Kind ist die Passung zwischen dem individuellen Entwicklungsstand und den Rahmenbedingungen unabdingbar. Eine derart differenzierte Förderung jedes einzelnen Kindes bedarf einer hohen pädagogischen sowie strukturellen Qualität. Um die angestrebten vielfältigen Bildungsziele zu erreichen, benötigt das Land Berlin eine bessere Strategie, die sich in allen Maßnahmen, von den Bildungsplänen über das Fortbildungsangebot bis hin zu den Fördermaßnahmen, niederschlägt.

2. Qualität in der frühkindlichen Bildung

Die frühkindliche Bildungspolitik unterteilt sich in drei Aspekte: die Einrichtung, die Finanzierung des Personals sowie deren Qualität und Quantität. Aus Sicht des VKMK sind die folgenden Handlungsempfehlungen geeignet, die Qualität in der Frühen Bildung nachhaltig zu verbessern und damit die bestmögliche Entwicklung eines jeden Kindes zu gewährleisten.

2.1 Finanzierung der Einrichtungen

Die Einrichtungen eines Freien Kita-Trägers werden durch das Land Berlin zu 95% finanziert[1], wobei ein Eigenanteil von 5% vom freien Träger eingebracht werden soll.

Problemlage:  

Gerade für Freie Kita-Träger, die nicht in landeseigenen Immobilien sowie auf landeseigenen Flächen ihre Kindertageseinrichtungen unentgeltlich betreiben können, wurden in den letzten Jahren die Findung von neuen Gewerbeflächen sowie die Beibehaltung von bezahlbaren Gewerbemietkosten die wesentliche unternehmerische Herausforderung. Dies ist umso schwerer, da die den Sachkostenblätter zugrunde liegenden Werte von knapp 6 Euro pro Quadratmeter nicht mehr zeitgemäß sind. Aufgrund zu geringer Sachkostenpauschalen, zu denen z.B. die Gewerbemietkosten gehören, beträgt der zu erbringende Eigenanteil für kleine und mittelgroße Kitaträger daher oft bis zu 30%.

Handlungsempfehlung:

Um die Unterfinanzierung der Freien Kita-Träger zu beenden müssen folgende Punkte umgesetzt werden:

  • Schaffung der erforderlichen Transparenz in Bezug auf die Erstellung der Sachkostenpauschale.

  • Sodann die nicht-pädagogischen Personalkosten (bspw. MitarbeiterInnen aus den Bereichen Küche, Hauswirtschaft, Verwaltung etc.) aus den Sachkosten herausnehmen und dem Kostenblatt Personal mit einer eigenständigen Personalkostenpauschale zuführen.

  • Einführung einer Raumkostenpauschale in Höhe von 12€ pro Quadratmeter[2], die durch regelmäßige Evaluierung an die Verhältnisse auf dem Immobilienmarkt angepasst wird.

2.2 Kitaplatz-Ausbau

Die Freien Kita-Träger ermöglichen in Berlin den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Sie haben in den vergangenen Jahren einen wesentlichen Beitrag zum Ausbau der Kitaplätze in Berlin geleistet.  Das Land Berlin benötigt gemäß des Berliner Kitaentwicklungsplanes (KEP) bis 2026 26.000 neue Kitaplätze. Daher bleibt der Kitaplatz-Ausbau eines der zentralen Aufgaben zur Absicherung des Rechtsanspruchs für die kommende Legislaturperiode.

Problemlage:

Entsprechend dem KEP des Landes Berlin müssten bereits im Jahr 2022 alleine 15.000 Plätze geschaffen werden, damit der Bau von 26.000 Kitaplätzen tatsächlich erfolgreich bis 2026 umgesetzt wäre. Doch bereits für diesen Zeitraum stehen keine adäquaten Fördermittel seitens des Landes oder des Bundes bereit. Vielmehr wurden Anträge der Freien Kita-Träger in Höhe von 100 Mio. Euro abgelehnt oder auf eine Warteliste gesetzt. 

Da das Bauantragsverfahren für eine Kitatageseinrichtung in Berlin 12 bis 24 Monate dauert, bedarf es einer effizienten Entbürokratisierung, um Kitaplätze und Bedarf in Einklang zu bringen. Die langwierigen Bauantragsverfahren, fehlende eigene Finanzmittel oder Grundstücke sowie ein Mangel an qualifiziertem Personal sind die wesentlichen Faktoren, die den Kitaplatzausbau hemmen und die Prognosen des KEP scheitern lassen.  

Handlungsempfehlung:

  • “Genehmigungsfiktion”: Fast-Tracking für Bauanträge

  • Bezirkliche Verwaltungs- und Zuständigkeitsstrukturen sind in allen 12 Bezirken identisch zu organisieren

  • KEP muss anhand der tatsächlichen Bevölkerungsentwicklung gemeinsam mit den Bezirken und Kita-Trägern in einem sich laufend aktualisierenden Prozess erstellt werden.

2.3 Finanzierung des Personals

Die Personalfrage ist eine Schlüsselfrage der frühkindlichen Bildungsqualität. Daher ist eine solide Finanzierung des multiprofessionellen Kita-Personals entscheidend, um den Fachkräfte-Mangel ohne Qualitätseinbußen in der frühkindlichen Bildung zu beheben.

Problemlage:

80% der Berliner Kindertageseinrichtungen werden durch die Freien Kita-Träger bereitgestellt. Aufgrund der bestehenden Finanzierungsstruktur und der daraus folgenden bestehenden erheblichen Unterfinanzierung können zugleich die Freien Kita-Träger nicht die jeweils zwischen den Gewerkschaften und dem Land Berlin für deren landeseigenen Kitabetrieben (Eigenbetriebe) ausgehandelten Tariflichen Entgelte an deren MitarbeiterInnen ebenfalls auskehren. Vielmehr versuchen die Freien Kita-Träger durch das Ausschöpfen sämtlicher Möglichkeiten in der Optimierung von Verwaltungs- und Arbeitsprozessen diesen Wettbewerbsnachteil zu beseitigen.

Handlungsempfehlung

  • angemessene Löhne, die eine soziale Spaltung vermeidet

  • Hauptstadtzulage für alle Kita-Teams 

  • Brennpunktbudget für Einrichtungen anstatt einer Brennpunktzulage

2.4 Quantität und Qualität des Personals

Die Qualität der frühkindlichen Bildung hängt entscheidend von den einzelnen Fachkräften in den Kindertageseinrichtungen ab. Das betrifft sowohl die Qualifikation der Fachkräfte als auch das Verhältnis der betreuten Kinder zu den ErzieherInnen.

Problemlage:

Im Berliner Alltag der frühkindlichen Bildung sehen sich die Einrichtungen und deren Leitungen stets mit einem größeren Fachkräftemangel konfrontiert. Dieser begründet sich daraus, dass die mittelbare pädagogische Arbeit, also jene zwingend erforderliche Zeit für die Elternzusammenarbeit, der Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit, der Dokumentation und Diagnostik, der Qualitätsentwicklung, die Ausfallzeiten durch Fortbildung, Krankheit und/oder Erholungsurlaub der Fachkräfte nicht vollumfänglich in die Bestimmung des Fachkraft-Kind-Schlüssel (FKS) einbezogen werden. Folglich sehen sich die Kindertageseinrichtungen mit ihren Leitungen täglich systembedingt gezwungen, den Mangel an Fachkräften durch die Umwidmung der ohnehin schon spärlich bemessenen mittelbaren pädagogischen Arbeit als Auffüllmasse auszugleichen.

Derzeit besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem angestrebten FKS3 und dem tatsächlichen täglichen FKS für die jeweiligen Kindertageseinrichtungen. 

Handlungsempfehlung:

  • Deshalb bedarf es einer vollumfänglichen Anrechnung der mittelbaren pädagogischen Arbeit, inklusive einer konkreten Aufschlüsselung.

  • Auszubildende sollten erst ab dem dritten Ausbildungsjahr komplett in den FKS einbezogen werden.

  • Kaufmännische Fachkräfte müssen zur Entlastung der pädagogischen Fachkräfte eingesetzt werden.

  • Anstatt einer kompletten Freistellung der Kita-Leitung ab 80 Kindern, sollte eine Freistellung ab 45 Kindern erfolgen, da 50% der Kitaplätze von kleinen Kita-Trägern gestellt werden.

  • Darüber hinaus sollte insbesondere der FKS für unter Dreijährige verbessert werden.

2.5 Sprachförderung

In einer multilingualen Stadt wie Berlin ist eine wirksame Sprachförderung der Schlüssel zum Erfolg in der frühkindlichen Bildung. Um den verschiedenen Bedürfnissen der einzelnen Kinder zu entsprechen, benötigen wir eine individuelle Sprachförderung.

Problemlage:

Der Berliner Senat teilt die Berliner Bezirke und deren Stadtquartiere in unterschiedliche Gebiete für etwaige Fördermaßnahmen auf. So gibt es Brennpunkt-Kieze, mit Zulagen für tariflich gebundene Fachkräfte, und zu erfüllende Quoten, um Mittel für eine gezielte Sprachförderungen zu erhalten. Diese pauschale Praxis führt im Alltag dazu, dass Fachkräfte für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt werden und die Förderung bedürftiger Kinder von dem Förderbedarf der übrigen Kinder in der Einrichtung abhängt.

Handlungsempfehlung:

  • personelle und fachliche Stärkung durch externe Fachberatungen und vollumfänglichen Anrechnung in den FKS 

  • eine Verstetigung des Bundesprogrammes “SprachKita”. 

  • Die Mittelzuwendung (“nichtdeutscher Herkunft”) sollte ab dem ersten Kind und nicht wie bisher ab einem Bedarf von 40% in der Einrichtung erfolgen. 

  • Um die benötigten Kompetenzen zum Schulbesuch sicher zu stellen, sollte das Jahr vor dem Schuleintritt in einer Kita (mindestens Kindertagespflege) für alle Kinder verpflichtend sein.

  • Für eine erfolgreiche Sprachförderung benötigen ebenso flächendeckende, niedrigschwellige Bildungsangebote für pädagogische Fachkräfte zur sprachlichen Förderung und Bildung.

3. Gleichbehandlung der Akteure

Für eine angemessene Bestimmung der Rahmenbedingungen ist dringend erforderlich, dass alle Beteiligten an dem Prozess beteiligt sind. Deshalb muss die Praxis des R2G - Berliner Senats, nur mit ausgewählten Vertretern der Freien Träger zu verhandeln, beendet werden.

Handlungsempfehlung:

  • Abbildung des tatsächlichen Branchensystems in den Gremien des Landesjugendhilfeausschusses und des Unterausschusses Kindertagespflege

  • Aufnahme des VKMK als Vertragspartner zur RV-Tag & QV-Tag


[1] gemäß der gültigen Anlage 1a, Kita/EKT, Nr. XXVIII, gültig ab 01. 01. 2021, Kostenblätter XXVIII gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und § 9 Abs. 5 RV Tag, https://www.berlin.de/sen/jugend/familie-und-kinder/kindertagesbetreuung/fachinfo/#rahmenvereinbarung 

 

[2] bspw. Drucksache 18 / 13 684 und Drucksache 18 / 28 207 zeigen die Gewerbemietkosten bei den landeseigenen Wohnbaugenossenschaften auf.