Wie ein guter Vorsatz zu mehr Ungerechtigkeit führen kann, erleben wir derzeit mit der Brennpunktzulage. Deshalb begründen wir im Folgenden unsere Ablehnung dieser Maßnahme in der angedachten Umsetzung und bieten einen Alternativvorschlag an.
Wo beginnen die Probleme auf dem Stadtplan?
Wenn eine Kindertagesstätte sich in einem Kiez mit Quartiersmanagement befindet, kann sie eine Brennpunktzulage beantragen, gleiches gilt für Gebiete im Monitoring Soziale Stadtentwicklung, kurz MSS-Gebiete. Da die Grenzen der förderbedürftigen Gebiete klar gezogen sind, kommt es unweigerlich zu ungerechten Grenzfällen. Liegt die Kita auf der anderen Straßenseite nicht mehr in einem „offiziellen“ Brennpunkt, ist sie zwar nicht berechtigt, die Zulagen zu beantragen, hat jedoch unter Umständen ähnliche Probleme wie die Kita auf der „sozial benachteiligten“ Straßenseite. Familien halten sich nicht an formelle Grenzen, aber oftmals an Kiezgrenzen, so auch bei der Wahl der Kita. Fördergebiete durchschneiden Kieze und gelebte Strukturen.
Förderung mit Mengenrabatt
Ebenso problematisch ist die Förderung ab einer bestimmten Menge an zu fördernden Kindern. Eine Kita kann eine Brennpunktzulage-Zulage beantragen, wenn sie einen förderbedürftigen Anteil von 30% der Kinder (Bildung und Teilhabe, BuT) in der Einrichtung überschreitet. Wenn bei 25 Kindern sieben Kinder einen BuT-Bedarf haben, erhält die Einrichtung keine Brennpunktzulage. Kommt am nächsten Tag ein weiteres BuT-Kind hinzu, wird eine Zulage gezahlt. Der Arbeitsalltag in der Kita wird sich hingegen an beiden Tagen nicht signifikant unterschieden haben. Anspruch auf einen BuT- Pass haben Familien, die oft in prekären Verhältnissen leben. Nicht alle Familien haben Informationen darüber, sind nicht in der Lage diesen zu beantragen oder erkennen nicht den Wert dieses Passes, so dass sie keine Beantragung anstreben. Der Fokus auf die Auswertung durch ISBJ spiegelt also nicht die wirklichen Verhältnisse in einer Einrichtung wider.
Vielen Kitas wird die Hilfe verwehrt
Da die Brennpunktzulage für PädagogInnen nur ausgezahlt wird, wenn der jeweilige Betrieb eine Tarifbindung eingegangen ist, entsteht wie bei der Corona-Prämie und Hauptstadtzulage eine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Viele der Freien Kita-Träger in Berlin können keine Zulagen erhalten, da sie aufgrund einer zu geringen Finanzierung der Sachkosten durch die Senatsverwaltung keine Tarif-Löhne zahlen können. Jedoch stellen die Freien Kita-Träger 88% der Kitaplätze in Berlin. Das führt zu einem weiteren Wettbewerbsvorteil für die wenigen landeseigenen Betriebe und widerspricht dem Prinzip der Lohngleichheit bei gleicher Arbeit.
Flexibles Brennpunkt-Budget für alle Kitas!
Die Statistiken und ISBJ- Auswertungen können helfen, aber sie sind kein Abbild des gelebten Alltags, weder in Familien noch in Einrichtungen. Die Schule hat es vorgemacht und bietet Schulsozialarbeit für alle Schüler an. Das Land Berlin fördert und fordert Schulsozialarbeit, um allen Kindern gleiche Bildungschancen einzuräumen sowie Kinder und Familien auf ihrem Bildungsweg zu begleiten und zu unterstützen. Sozialarbeit darf nicht erst in der Schule anfangen, Bildung beginnt in der Kita, denn hier in der ersten Bildungseinrichtung müssen die Kinder und Familien unterstützt werden.
Kitasozialarbeit bietet hierbei einen guten Ansatz. Es können aber auch Gesprächsrunden für Familien, soziale Gruppenarbeit, Förderung Hochbegabter, Unterstützung bei Anträgen, Übersetzungshilfen und vieles mehr in einer Kita angeboten werden. Niederschwellig erreichen wir die Familien hier sogar besser als in der Schule. Ressourcen können erkannt und Benachteiligungen abgebaut werden.
Nicht nur benachteiligte Familien sollten unterstützt werden, sondern allen Familien sollte diese Möglichkeit offenstehen. Jeder Kiez, jeder Bezirk, jede Familienkonstellation birgt eine Vielzahl an Möglichkeiten, das Leben zu gestalten. Hindernisse und Schwierigkeiten begleiten dabei alle Familien auf verschiedene Art und Weise. Ein Budget bietet die Möglichkeit, ausgehend von der aktuellen Lage vor Ort, zugeschnitten auf die tatsächlich betreuten Kinder und deren Familien flexibel Unterstützungsmöglichkeiten zu installieren. Dadurch wird das pädagogische Fachpersonal entlastet und kann sich der eigentlichen Arbeit in vollem Umfang widmen.
Es kann ein erster und guter Schritt sein, mit den Brennpunktkiezen zu beginnen. Allerdings müssen auch die pädagogischen Fachkräfte mit der Unterstützung entlastet werden, die sie benötigen.