Der Verband der Kleinen und Mittelgroßen Kita-Träger fordert den Berliner Senat auf, schnellst-möglich zu erkennen, dass geeignete Maßnahmen zu ergreifen sind, um dem Fachkräfte-Mangel entgegenzuwirken, sowie den rasant steigenden Sachkosten Rechnung zu tragen.
Der Fachkräftemangel zwingt die Kita-Träger dazu, Betreuungszeiten zu kürzen und freiwerdende Kitaplätze nicht neu belegen zu können. Dies steht dem gemeinsamen Ziel, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, entgegen. Trotz des enormen Kitaplatzausbaus fehlen dadurch weiterhin Kitaplätze im Land Berlin. Eine auskömmliche wirtschaftliche Unternehmensführung sowohl bei den Eigenbetrieben des Landes Berlin als auch bei den freien Trägern wird durch die Nichtbelegung und durch extrem steigende Sachkosten als Auswirkung der Weltkrisen, verhindert.
Immer weniger Fachkräfteverfügbar
Für die Kita, als dem ersten institutionellen Bildungsort für Kinder, stehen in Berlin immer weniger Fachkräfte zur Verfügung. Dieser Fachkräftemangel hat neben dem demografischen Wandel weitere Gründe.
Das Berufsbild der pädagogischen Fachkraft in Kitas ist weder finanziell noch politisch attraktiv besetzt. Zunehmend steigen die Anforderungen an die Fachkräfte auf Grund immer weiterer Betreuungs,-Bildungs-und Sozialisierungsvorgaben, sozialer Verwerfungen und fachfremder Aufgaben. Gleichzeitig übernehmen die Kitaträger einen großen Teil der berufsbegleitenden Ausbildung. Dies bedeutet Verantwortung, die gern übernommen wird, aber auch mehr Arbeit.
Einerseits decken sich die bestehenden Ausbildungsinhalte oft nicht mit den Anforderungen in der täglichen Arbeit in den Einrichtungen und anderseits wird die Arbeitszeit der Auszubildenden voll auf den Personal-schlüssel angerechnet. Somit entspricht der politisch dargestellte Betreuungsschlüssel nicht dem tatsächlichen Betreuungsschlüssel vor Ort, da hier Weiterbildung, Krankheit und Urlaub mit 20% einberechnet werden müssen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass diese 20% den Fachkräften und Eltern nicht bewusst sind, sowie gleichfalls nicht mehr der Wirklichkeit entsprechen, sondern deutlich höher angesetzt werden müssen. Dies führt zu Unverständnis auf allen Seiten und einer gefühlten odertatsächlichen Überlastung.
Für die mittelbare pädagogische Arbeit wie Vorbereitungen, Entwicklungsdokumentationen, Eltern-und verwaltungstechnischer Arbeit stehen den Fachkräften in Vollzeit eigentlich 5 Stunden in der Woche zur Verfügung. Auf Grund der Ausfälle des Fachpersonals können diese teilweise nicht gewährt werden, Aufgaben werden demzufolge in der Freizeit erledigt oder angehäuft. DieFachkräfte werden im Spannungsfeld zwischen ihren eigenen Ansprüchen an eine gelingende Bildungsarbeit und indivduellen Förderung der Kinder, den Vorgaben des Senats und den Erwartungshaltungen der Eltern aufgerieben.
Eine pädagogische Fachkraft war laut des Gesundheitsreports der Barmer-Krankenkasse* innerhalb des Jahres 2020 durchschnittlich 26,47 Tage arbeitsunfähig gemeldet und damit bereits im ersten Pandemie-Jahr 33,9% länger krankheitsbedingt abwesend als andere Beschäftigte (19,77 Tage). Einer verbandsinternen Umfrage zufolge hat sich diese Situation imJahr 2022 weiter verschlechtert. Rund drei Viertel der Einrichtungen verzeichnen demnach einen höheren Krankenstand als noch im Vorjahr. Besorgniserregend dabei ist, dass ein Drittel der Erkrankungen auf eine allgemeine Erschöpfung zurückgeführt werden.
Vor allem die Pandemie mit ihren zahlreichen physischen und psychischen Belastungen für die einzelne Fachkraft sowie der nicht-pädagogischen Zusatzaufgaben haben die Kita-Teams an den Rand des Zumutbaren gebracht. Wir fordern die Anerkennung des Fachkräftemangels und den damit einhergehenden Herausforderungen für die Träger. Um diese Herausforderungen stemmen zu können, benötigen wir alle Beteiligten: Politik, Verwaltung, Familien, Träger und besonders die Fachkräfte, ohne die eine funktionierende Betreuung und Förderung nicht möglich wäre. Für eine sofortige spürbare Entlastung der pädagogischen Fachkräfte fordern wir innovatives, kreatives und wertschätzendes Denken.
Steigende Sachkosten
Die Sachkostenpauschale, über welche die freien Träger die Sachkosten finanzieren, wird jährlich mithilfe des Verbraucherpreis-Index angepasst. Im Jahr 2022 haben sich die Kostensteigerungen bei Energie und Verpflegung stark vom allgemeinen Verbraucherpreis-Index entfernt, sodass sich die Freien Kita-Träger nicht mit einer üblichen, leicht linear ansteigenden Inflation, sondern einer sprunghaften und in ihrer Höhe seit 60 Jahren untypischen Steigerung konfrontiert sehen.
Um die aktuellen Kostensteigerungen auf Grund der weltwirtschaftlichen Krisen darzustellen, lohnt es sich, einen Blick auf die Teilbereiche Verpflegungs-und Energiekosten zu werfen.
Aktuell liegt die Preissteigerung für Energie im Juli 2022 bei 42,9% und für Nahrungsmittel bei 14,8%. Im Bereich der Verpflegung zeigen sich bereits erste Auswirkungen der Preissteigerungen. In einer selbstkochenden Einrichtung werden die Erhöhungen sofort spürbar, da die Einkaufspreise für Lebensmittel allgemein stark angestiegen sind. Aber auch Caterer legen die Preissteigerungen beim Einkauf auf die Träger um.
Erste Energieversorger erhöhen, um hohe Nachzahlungen zu vermeiden, schon jetzt die Vorauszahlungen der Betriebskosten. Dies führt zu einer regelmäßigen Erhöhung um 100% dieser Kosten. Damit können voraussichtlich jedoch die gesteigerten Energiekosten nicht mehr aufgefangen werden. Gleichzeitig erfassen die Betriebskostenabrechnungen, die in diesem Jahr vorliegen werden, nur das Jahr 2021. Weitere, in diesem Jahr erfolgte Preissteigerungen der Energieversorger sind hierbei noch nicht eingerechnet. Aktuell wird von einer starken Erhöhung der Stromkosten ausgegangen. Auch Kosten für erforderliche Bau,-Sanierungs,-und Wartungsarbeiten werden auf diesen Grundlagen ansteigen.
Neben den erfolgten und bereits angekündigten Kostensteigerungen werden die erhöhten Voraus-zahlungen und die Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2021 die Kita-Träger vor große finanzielle Herausforderungenstellen stellen.
Es ist nicht absehbar, ob dies von allen Kita-Trägern aufgefangen werden kann. Eine mögliche Konsequenz ist die Einstellung des Geschäftsbetriebes. Deshalb fordern wir für das laufende Jahr 2022 eine kindbezogene einmalige Sonderzahlung, um die unvorhergesehenen Zusatzkosten aufzufangen. Für die kommenden zwei Jahre muss darüber hinaus eine Anpassung der Sachkostenpauschale vorgenommen werden, um die realen Kostenentwicklungen in den Kindertagesstätten darzustellen. Dem Verbraucherpreis-Index müssen in den Sachkostenblättern weitere kita-relevante Preis-Indizes, wie Energie-und Nahrungsmittelpreise zur Seite gestellt werden.
* Thomas G. Grobe und Anna Braun (Hrsg.): Schriftreihe zur Gesundheitsanalyse –Band 31, BARMER Gesundheitsreport 2021, Berufsatlas, zweiband.media GmbH, S. 248.