Wer Chancengleichheit sagt, darf beim Kita-Essen nicht schweigen

Ein Beitrag von Lars Békési, Geschäftsführer VKMK – Der Kitaverband

Herr Saleh hat Recht: Die Lebenshaltungskosten in dieser Stadt sind für viele Familien zu einer realen Belastung geworden. Die Angst vor dem sozialen Abstieg ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch wenn man auf diese Krise mit Symbolpolitik antwortet, riskiert man das Gegenteil von Gerechtigkeit.

Im jüngsten Tagesspiegel-Beitrag verkündet der SPD-Fraktionsvorsitzende stolz den Fortbestand der Gebührenfreiheit für Kitas, Hortbetreuung und Schulessen. Was auf den ersten Blick nach sozialem Fortschritt klingt, zeigt bei genauerer Betrachtung gravierende Schwächen – vor allem im frühkindlichen Bereich.

Kita-Kinder zahlen weiter – Schulessen bleibt gratis?

Seit über einem Jahrzehnt zahlen Berliner Eltern monatlich 23 € für das Kita-Mittagessen hinzu – unabhängig von der Entwicklung der Lebensmittelpreise, der Inflation oder der Haushaltslage der Familien. Währenddessen ist das Schulessen vollständig beitragsfrei – auch für die Kinder von Besserverdienenden. Diese Regelung ist nicht nur inkonsequent, sondern ungerecht und geht zudem zu Lasten der Kitaträger, die allein die Kostensteigerungen bei der Verpflegung der Kita- Kinder auffangen müssen.

Die Kita ist die erste und wichtigste Bildungseinrichtung im Leben eines Kindes. Und das gemeinsame Mittagessen ist integraler Bestandteil des pädagogischen Alltags: Hier geht es um mehr als Sättigung – es geht um Teilhabe, Gemeinschaft, motorische Fähigkeiten, Sprache, soziale Regeln. Das Essen in der Kita ist Teil des Bildungsauftrags, nicht bloß ein „Verpflegungsmodul“.

Wenn das Land Berlin das Schulessen vollständig aus Steuergeldern finanziert, gleichzeitig aber im Kita-Bereich weiterhin von den Eltern das veraltete Teilentgelt von 23 € zur Mittagsversorgung des Kindes verlangt, entsteht ein gefährlicher Bruch in der bildungspolitischen Logik.

Fehlanreize und Ressourcenverschwendung

Ein pauschal beitragsfreies Schulessen ist eine sozialpolitische Maßnahme – keine bildungspolitische. Als solche müsste sie eigentlich zielgenau wirken. Doch was wir erleben, ist eine Gießkannenpolitik: In den Schulen profitieren viele Familien, die den Beitrag problemlos selbst leisten könnten. Gleichzeitig berichten Träger und Schulen von massenhaft weggeworfenem Essen. Das ist nicht nur ineffizient – es untergräbt die soziale Legitimation öffentlicher Leistungen.

Was wir brauchen: Treffsicherheit statt Symbolpolitik

Soziale Leistungen sollten dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Der VKMK fordert daher ein sozial gestuftes Modell: Familien mit BerlinPass oder Anspruch auf BuT-Leistungen erhalten das Schul- und Kitaessen kostenfrei. Alle anderen beteiligen sich angemessen. Diese soziale Treffsicherheit ist sodann echte Gerechtigkeit für Kinder, Eltern und Kitas.

Gleichzeitig braucht es eine vollständige Neuberechnung der Kita-Verpflegungs-pauschalen. Derzeit bleiben nach Abzug aller Kosten oft nur etwa 3,60 € pro Kind und Tag für Lebensmittel übrig – ein Betrag, der mit den Anforderungen an gesunde, nachhaltige Ernährung und fairen Löhnen kaum mehr vereinbar ist.

Wer die hart arbeitende Mitte dieser Stadt entlasten will, muss dort ansetzen, wo reale Belastung entsteht – und das ist im frühkindlichen Bereich. Familien mit Kita-Kindern haben Anspruch auf gleiche Anerkennung, gleiche Unterstützung und gleiche Standards.

Und wenn der Koalitionspartner des aktuellen Berliner Senates Bildung wirklich als Investition in die Zukunft versteht, dann darf er die Kita nicht länger als nachgelagerten Versorgungsbereich behandeln.

Die Gebührenfreiheit darf kein Dogma sein. Sie braucht Zielgenauigkeit, soziale Fairness – und den Mut zur Differenzierung.Denn echte Chancengleichheit beginnt nicht in der Schulmensa – sondern am Mittagstisch der Kita.