Ein großes B für Frühe Bildung ist nicht erkennbar

Der Doppelhaushalt 22/23 ist heute im Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet worden. Ein großes B für Frühe Bildung ist leider nicht erkennbar.

Koalition beglückwünscht sich

Die Linksfraktion zog ein zufriedenes Fazit: „Wir wollen allen, die in Berlin leben, gleiche Lebenschancen und Teilhabe bieten. Mit dem nun ausverhandelten Haushalt für die Jahre 2022/2023 wollen wir diesen Grundsatz in konkrete Politik umsetzen.“ Ebenso lobte die Fraktion der Bündnis-Grünen den Haushalt: „Wir sind sehr froh, so viele grüne Projekte damit pushen zu können. Mit diesem Haushalt bringen wir öko und sozial zusammen!“ Und auch die Sozialdemokraten fanden anerkennende Worte für das Verhandlungsergebnis: „Wir sparen uns nicht aus der Krise.“

Aus Sicht der Berliner Kita-Kinder, unserer Kita-Teams und der Freien Kita-Träger ergibt sich allerdings ein ganz anderes Bild. Zum einen wurde im Bildungshaushalt gesparrt anstatt zu investieren. Zum anderen wurde die erste Bildungseinrichtung – Kita – in diesem Ressort wieder einmal vernachlässigt.

Was fehlt im Haushalt für Bildung, Jugend und Familie?

Zwar wird der vorangegangene Kitaausbau von allen drei beteiligten Regierungsparteien im Bereich der Frühen Bildung ausdrücklich gelobt, doch hält selbst dieser Punkt einer genauen Betrachtung nicht Stand.

Keine Anpassung der Fördergelder für den Bau von Kitaplätzen

Seit Monaten und Wochen verweisen wir auf die tatsächlichen Kosten im Kita-Ausbau sowie die damit verbundene wachsende Herausforderung des Fachkräftemangels – die eben nicht nur in Schulen besteht.

Die zusätzlichen 15 Mio. Euro für den Kita-Ausbau können keine wesentliche Wirkung entfalten. Trotz steigender Baukosten hält der Senat bei der Planung an alten Baukosten fest. Hierbei wird in Gänze ignoriert, dass das Land Berlin für seine Modullbaukitas vor den Preisteigerungen der letzten Jahre einen Preis von über 60.000 Euro pro Kita-Platz bezahlen musste. Daher ist die veranschlagte durchschnittliche Baukostenförderung seitens des Senats für Freie Träger in Höhe von 20.000 Euro[1] in keiner Weise gerechtfertigt. Vielmehr erwarten wir hier eine Anpassung der Fördermittel und vorallem der Festschreibung einer regelmäßigen Anpassung gemäß dem Baukostenindex.

Kitasozialarbeit wird aufgeschoben

Für die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der pädogoischen Arbeit fehlen gezielte Investitionen. So wollten die Regierungsparteien zum Beispiel im Koalitionsvertrag noch eine Kitasozialarbeit für alle Einrichtungen „prüfen“[2].Im Haushalt wurde jedoch nur ein bescheidenes Pilotprojekt verankert, als müssten noch Erkenntnisse zum Nutzen der Kitasozialarbeit gesammelt werden. Die Brennpunktzulage wird hingegen verlängert, die aufgrund ihrer lokal begrenzten Ausrichtung nicht alle Kinder erreicht. Hier wird eine notwendige Investition zu Lasten der Bildungschancen aller Kinder verschoben. Aus unserer Sicht ist eine Investition in eine flächendeckende Kitasozialarbeit zielführender, da spätere teure Folgekosten in der Schule erspart werden.

Mittelbare pädgogische Arbeit wird nicht voll angerechnet

Ebenso wird die komplette Anrechnung der mittelbaren pädagogischen Arbeit in den Betreuungsschlüssel in diesem Haushalt nicht berücksichtigt. Diese wichtige mittelbare pädagogische Arbeit muss aber auch notwendigerweise angerechnet werden. Hier hätten wir als wichtiges Signal an alle Kita-Teams eine weitere Verbesserung erwartet.

Ungerechte Hauptstadtzulage bleibt bestehen

Hinzu kommt die weiterhin bestehende ungleiche Bezahlung mittels der Hauptstadtzulage. Es werden nur die Fachkräfte in landeseigenen Einrichtungen mit dieser Zulage bedacht. Ohne spürbare Verbesserungen der Arbeitsbedingungen wird allerdings die Abwanderungen in andere Berufsfelder anhalten und sich somit der Fachkräftemangel weiter erhöhen.

Aktuelle Preissteigerungen werden nicht refinanziert

Zu den Rahmenbedingungen gehören auch die Sachkosten einer Kita, wie beispielsweise Gewerbemiet-, Energie- und Wasserkosten. Allerdings werden die aktuellen, massiven Kostensteigerungen für die Bewirtschaftung der Kitaräume in diesem Haushalt ebenso ignoriert, wie die seit Jahren bestehende Unterfinanzierung der Freien Träger. Neben den Preissteigerungen der übrigen Sachkosten sind hier vor allem die enormen Steigerungen der Energiekosten von 22,5% im März 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat zu nennen. Insgesamt werden die 2021 beschlossenen Anpassungen von 6,66% über einen Zeitraum von vier Jahren allein von der aktuellen Inflation von 7,9% (Stand: Mai 2022) überboten.

Herstellungskosten für die Verpflegung sind nicht gedeckt

So reichen die veranschlagten Gesamtgelder inklusive das seit elf Jahren unveränderten Teilentgeld der Eltern i.H.v. 23 Euro für die ausgewogene und gesunde Verpflegung bei Weitem nicht mehr aus. In diesem Jahr sind die Preise innerhalb der Branche erneut gestiegen und einem unserer Träger wurde bereits eine Erhöhung der aktuellen Preise um weitere 9,2% angekündigt. Um die tatsächliche Preisexplosion abzufangen, müsste die Gesamtgelder seit spätestens Februar 2022 um min. 35% angepasst werden.

Fehlende Anpassungsverhandlung bedroht bestehende Kitaplätze

Trotz unserer frühzeitigen Hinweise (bspw. LINK), schnell zu reagieren, um schwere wirtschaftliche Schieflagen der Kleinen Kita-Trager abzuwenden, die  in letzter Konsequenz den Verlust von Kita-Plätzen bedeuten, werden die Freien Träger auf eine mögliche Anpassung zum 1.1.2023 vertröstet. Doch auch die Erhöhung im Januar 2023 wird die drastische Unterfinanzierung der Freien Träger nicht beheben.

Senat spart sich im Bereich der frühen Bildung in die Krise

Lars Békési, Geschäftsführer VKMK: „Die Berliner Kitas brauchen bessere Rahmenbedingungen, um die bestehenden Kitaplätze zu sichern zu können. Dazu gehören Entlastungen und Verbesserungen, wie die komplette Anrechnung der mittelbaren pädagogischen Arbeit, eine allgemeine Kitasozialarbeit sowie eine Sprachförderung für jedes Kind anstatt irgendwelcher Quoten zur nicht-deutschen Herkunft. Ebenso muss die weiter ansteigende Unterfinanzierung der Freien Kita-Träger durch das Land Berlin beendet werden. Dazu müssen jetzt Anpassungsverhandlungen zur RV-Tag aufgenommen werden, um den Preisexplosionen Rechnung zu tragen. Kurzfristig müssen die Berliner Kitas in das derzeit diskutierte Belastungsmoratorium aufgenommen werden, um Insolvenzen zu abzuwenden“.

[1] Max. 30.000 Euro Förderung pro zuschaffenden Kitaplatz

[2] „Die Koalition setzt Elternarbeit fort und prüft die Einführung von Kita-Sozialarbeit durch pädagogische Fachkräfte“. , Seite 103, Zukunftshauptstadt Berlin. Koalitionsvertrag 2021-2026