Zu wenig, zu spät – Bildungspolitik in der Pandemie 

„Belastete Kinder und Jugendliche brauchen zusätzliche Unterstützung“ – so beginnt die Pressemitteilung des Bundesfamilien - und Bundesgesundheitsministeriums vom 30. Juni 2021. Neben dieser richtigen Einschätzung finden sich jedoch keine geeigneten Maßnahmen, diesen Zuständen Abhilfe zu verschaffen. Das nur kommissarisch verwaltete Bundesfamilienministerium wird damit wohl keine dringend benötigte Unterstützung noch vor der Wahl auf den Weg bringen. 

Ernste Lage – verzagtes Handeln 

Das ist umso erstaunlicher, da die Analyse der Ministerien durchaus die Probleme der Kinder und Jugendlichen erkennt. So wurde in der oben genannten Pressemitteilung konstatiert, dass „Zukunftsängste, Leistungsdruck und Vereinsamung und auch psychische Belastungen zunehmen“, was sich durch „mangelnde soziale Interaktion mit Gleichaltrigen, übermäßiger Medienkonsum, Bewegungsmangel und Fehlernährung“ zeigt. 

Was dann folgt, sind allerdings Beschönigungen und Unwahrheiten, die wir so nicht stehen lassen können. So wird die Ministerin nach über 15 Monaten in der Pandemie mit den folgenden Worten zitiert: „Wir haben bereits früh reagiert, um die Belastungen für junge Menschen abzufedern.“ Mit dieser frühen Reaktion ist das kürzlich verabschiedete Programm „Aufholen nach Corona“ gemeint, dass bereits im Titel lediglich auf den verpassten Lernstoff der Kinder abzielt. Dabei sind auch die veranschlagten zwei Milliarden Euro nur ein Bruchteil dessen, was andere Staaten, wie die Niederlande oder USA, für dieses Problemfeld bereitgestellt haben. 

Auch der Bundesgesundheitsminister versucht, die Notlage der Bildungslandschaft zu beschönigen sowie die Zuständigkeit von sich zu weisen: So „müssen Länder und Kommunen die Urlaubszeit in diesem Jahr besser zur Vorbereitung nutzen“, um einen weiteren Lockdown zu verhindern. Weiter heißt es: „Die notwendigen Werkzeuge, wie Testen, Impfen, Lüften oder Filteranlagen, sind alle da, sie müssen nun in klugen Konzepten umgesetzt und gelebt werden.“ 

Diese Aussage ist besonders enttäuschend, da wir uns seit Beginn der Pandemie für die Bereitstellung von umfänglichen Landesmitteln zur Anschaffung von Luftfilteranlagen einsetzen. Zwar gibt es in Berlin über eine sog. Förderrichtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für Maßnahmen zur räumlichen Gestaltung im Rahmen des KiQuTG die Möglichkeit, auch Raumluftfilteranlagen zu beantragen. Jedoch haben die Kitaträger keinen Rechtsanspruch auf die Gelder. 

Auch unerwartete Hindernisse treten dabei auf. So lautete die Begründung eines landeseigenen Kitabetriebes, wie der Tagesspiegel berichtete, auf einen Antrag zur Beschaffung von Filteranlagen: “Die Beantragung von Fördermittel wäre sicher möglich, würde jedoch nur einen Teil der Kosten abdecken und nicht alle Kitas könnten vollständig ausgestattet werden. Seit Gründung des Eigenbetriebs hat aber die Gleichbehandlung aller unserer Kitas (…) oberste Priorität.” Diese Interpretation der Gleichbehandlung ist für uns nicht akzeptabel. 

Im weiteren Verlauf der Pressemitteilung der beiden Ministerien werden die bisher ergriffenen und noch geplanten Maßnahmen aus dem “Aufholprogramm” aufgelistet. Leider sind jedoch all diese Maßnahmen mit unserer Erfahrung in den Kitas vor Ort nicht ausreichend, zu spät – oder beides. Vor allem aber zielen sie zu wenig auf die Frühe Bildung ab. 

Was jetzt getan werden muss 

Lars Békési, Geschäftsführer des VKMK: “Wir haben bereits seit Beginn des Jahres auf die psychischen und emotionalen Schäden aufgrund der Kita-Schließungen hingewiesen. Besonders die von der Betreuung durch die KRITIS-Liste ausgeschlossenen Kinder litten unter der Pandemie. Die Schäden in den Kinderseelen zu mildern, muss endlich an oberster Stelle stehen.” 

Alle Kitaträger und Ihre Kitateams brauchen bereits mit dem neuen Kitajahr die handfeste Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen. 

Dazu gehören z.B. für das Land Berlin: 

  • Sofort-Programme, um die psychischen und emotionalen Schäden der Kinder abzufedern:  

  • Aufhebung der hinderlichen 40%-Quote für Kinder nichtdeutscher Herkunft, stattdessen ab dem ersten Kind eine gezielte Sprachförderung finanzieren 

  • Finanzierung der Kita-Sozialarbeit als Brückenfunktion zwischen Kita, Eltern und Sozialraum 

  • keine Wiederbelebung der ausufernden KRITIS-Liste als Zugangs- & Steuerungsmittel, stattdessen einen Plan festlegen, der für das neue Kitajahr allen Kindern in allen Pandemie-Phasen eine frühe Bildung gewährt 

  • Entlastung des pädagogischen Personals 

  • 100-prozentige Anrechnung der “mittelbaren pädagogischen Arbeit” 

  • Aufhebung der ausufernden Verwaltungsarbeit für pädagogische Fachkräfte, stattdessen eine 100-prozentige Finanzierung kaufmännischer Verwaltungskräfte, um den pädagogischen Fachkräften mehr Zeit für die wichtige pädagogische Arbeit mit den Kindern zu geben 

Es ist unsere tiefste Überzeugung, dass wir nur gemeinsam geeignete Lösungen finden werden, um die Zukunft unserer Kinder zu sichern. Wir sind bereit uns konstruktiv an dieser Aufgabe zu beteiligen.