offener Brief

Aus 1.000 Euro sind 2,80 Euro geworden 

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Müller, 

Ihre Worte im Rahmen der Plenarsitzung vom 26.03.2020 im Berliner Abgeordnetenhaus haben unsere Mitglieder und deren zahlreichen MitarbeiterInnen bestärkt, eine gute Notbetreuung aufrechtzuerhalten. Jene Worte haben wir wahrgenommen als Anerkennung und Wertschätzung des Berliner Senates in Vertretung für alle Berliner und Berlinerinnen, die täglich auf unsere qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung und funktionierende fachgerechte Betreuung für Ihre Kinder angewiesen sind. 

Ihre gleichzeitige Auslobung einer Prämie in Höhe von 1.000 Euro haben wir mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen. Die anschließenden Relativierungen des Berliner Senates, dass jene Prämie von 1.000 Euro nur für die 25.000 MitarbeiterInnen im Öffentlichen Dienst seien und zugleich eine Prämie von 500 Euro für lediglich 20% der MitarbeiterInnen bei den Freien Kitaträgern als angemessen gesehen werden, sorgte für einen bis heute andauernden Unmut. Diese Handlungsweise des Berliner Senates ist keine Wertschätzung der Freien Kitaträger, die für das Land Berlin über 80% aller Betreuungsplätze bereitstellen. Es ist vielmehr eine weitere Herabsetzung aller MitarbeiterInnen der Freien Kitaträger!

An der Notbetreuung waren sämtliche MitarbeiterInnen der Freien Kita-Träger beteiligt. Dabei ist es unerheblich, ob jene unmittelbar oder durch außerhalb ihres Einflusses stehender Vorgaben, wie der Definition von Risikogruppen seitens des Robert Koch Instituts (RKI)[1], mittelbare Arbeit geleistet haben. 

Ihr Senat will aber, dass wir eine Selektion vornehmen. Das ist aus unserer Sicht ein skandalöser Vorgang sozialer Ausgrenzung! Es sorgt für sozialen Unfrieden und trägt Zwietracht in die multiprofessionellen Kita-Teams. Sollten die Freien Kitaträger eine solche Form der Prämierung tatsächlich vornehmen? Zu den mutliprofessionellen Kita-Teams gehören eben auch unsere KöchInnen, HauswirtschafterInnen und VerwaltungsmitarbeiterInnen. 

Wenn wir allerdings alle Beteiligten einbeziehen, können wir eine Prämie von 2,80 Euro[2] an jeden Einzelnen auskehren. Es ist bei all den Belastungen zynisch, wenn Ihr Senat die Freien Kitaträger noch großmütig darauf hinweist, dass sie die Prämie selbst aufstocken können. 

Des Weiteren ging Ihr Senat davon aus, dass aufgrund der Notbetreuung gegebenenfalls Sachkosten eingespart worden seien. Unstrittig ist, dass aufgrund der geringeren Anzahl an Kindern in den Tageseinrichtungen nur die Aufwendungen für Lebensmittel gesunken sind. Die weiteren laufenden Sachkosten (bspw. Energiekosten) fielen weiterhin unvermindert an, da es hierbei unerheblich ist, ob 5 oder 15 Kindern in einem Raum der Einrichtung betreut werden. 

Jedoch stehen diesen vermeintlichen Einsparungen erhebliche Mehraufwendungen für die Umsetzung und Einhaltung der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung (vormals SARS-CoV-2-Eindämmungs-verordnung) gegenüber. Die Kitaträger mussten ihre MitarbeiterInnen entsprechend schulen und für die mittelbare Arbeit im Home-Office entsprechende technische Endgeräte anschaffen. Es erfolgten vermehrte Sonderreinigungen, während zusätzliche Finanzmittel für die drastischen Teuerungsraten der zwingend erforderlichen Desinfektionsmittel und Schutzkleidungen (Handschuhe & Masken) aufgewandt werden mussten. Darüber hinaus mussten zusätzliche Personalkosten für Vertretungskräfte der MitarbeiterInnen, die zur Risikogruppe gehören, ausgegeben werden. 

Diese Mehraufwendungen übersteigen um ein Mehrfaches die tatsächlichen Einsparungen! In den vergangenen Monaten haben die Freien Kitaträger mit ihren MitarbeiterInnen ihren Beitrag für den sozialen Zusammenhalt unserer Stadt erfolgreich geleistet. Trotzdem fordert Ihr Senat bei den Freien Kitaträgern einen "solidarischen" Beitrag von 20 Millionen Euro ein. 

Grundsätzlich sind die Freien Kitaträger bereit, etwaige Einsparungen zu erstatten. In diesem Fall sollte allerdings Ihr Senat die zusätzlichen Mehraufwendungen für die Umsetzung und Einhaltung SARS- CoV-2-Infektionsschutzverordnung übernehmen. Da bisher nur gegenüber den Kitaträgern eine derartige Rückforderung gestellt wurde, entsteht bei uns der Eindruck, dass wir nicht nur für unsere MitarbeiterInnen sondern auch für alle anderen die Corona-Leistungsprämie zu bezahlen. 

Die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens unserer Stadt gelingt nur gemeinschaftlich, wenn wir uns gegenseitig respektvoll, partnerschaftlich und solidarisch begegnen. 

Die Kommunikation zwischen Senatsverwaltung und Trägern verlief in den vergangenen Monaten allgemein sehr schlecht, da wichtige Informationen meist nur aus der Presse zu erfahren waren und sämtliche 19 Trägerschreiben mit großer Verspätung seitens Ihres Senates verschickt wurden. 

Die Umsetzung der einseitigen Berlin-Zulage, die demütigen Corona-Prämien des Landes Berlin, die einseitige Rückzahlungsforderungen und die fehlende Transparenz: Das ist keine Wertschätzung der Freien Kitaträger! 

In der Hoffnung auf eine schnelle Verbesserung verbleiben wir mit freundlichen Grüßen, 

Ihr Verband der Kleinen und Mittelgroßen Kitaträger 


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[1] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText15

[2] Ergebnis der Ersten Stichprobe zur VKMK Umfrage „Berliner Kitaträger in Zeiten der Corona-Pandemie“